Wissen Die Freude am Echten
Fritz Pölking ist der wohl erfolgreichste deutsche Naturfotograf. Als ich seine Website http://www.poelking.com/ besuchte, fiel mir in der Rubrik "Werkstatt" ein Artikel auf, den er "Die Freude am Echten" nannte. Ich möchte es als einen Aufruf an die Naturfotografen bezeichnen, die Angaben zur Echtheit ihrer Naturaufnahmen machen sollen. Pölkings Ansichten haben mich sehr überzeugt. Deshalb übernehme ich mit seinem Einverständnis einige Abschnitte des Artikels, die für das Verständnis meiner Besucher nötig sind, die Kennzeichnung zu verstehen. Interessierte verweise ich auf den vollständigen Artikel von Fritz Pölking auf dessen Website.


Wenn man ein Produkt auf den Markt bringt, das nicht der Erwartungshaltung des Käufers entspricht, muß man dies deklarieren. Sagt der Gesetzgeber.
Wer etwa Butter herstellt, aber nicht Milch nimmt, sondern andere Zutaten, muß das Ergebnis 'Margarine' nennen.
Wer Marzipan herstellt, aber keine Mandeln nimmt sondern Pfirsichkerne, muß das Ergebnis 'Persipan' nennen.
Wenn man Champagner herstellt außerhalb der Champagne, dann darf man diesen Schaumwein nicht Champagner, sondern muß ihn Sekt nennen.
Wer eine erfundene Geschichte veröffentlicht, nennt das Ergebnis 'Roman', aber nicht Sachbuch.
Wer sie als Film veröffentlicht, nennt es Spielfilm, aber nicht Dokumentarfilm.

In der Naturfotografie gibt es bis heute keine Deklarationspflicht. Nun ist die Naturfotografie wohl nicht so wichtig, als das der Gesetzgeber eine Deklarationspflicht vorschreibt zwischen wirklichen, arrangierten oder erfundenen Naturaufnahmen. Aber wir können uns ja ohne weiteres auf den Standpunkt stellen: 'Offenheit ist unser Beitrag zum zivilisatorischen Mindeststandard' und eine eigene Deklaration freiwillig einführen.

Als Naturdokument ist die Naturfotografie einmalig. Sie kann, was kein anderes Medium kann und keine andere Kunstform: Sie kann den wirklichen Moment in der Natur festhalten. Wir sollten diese Einmaligkeit nicht verschenken, in dem wir unglaubwürdig werden, wenn wir echte Naturaufnahmen, arrangierte oder im Computer geschaffene alle in einen Topf werfen, ohne klar zu sagen, was echte Naturfotografie und was Substitut-Naturfotografie ist.


Kennzeichnung. In der Naturfotografie können die allgemein geltenden Gestaltungsregeln für einen guten Bildaufbau nicht immer ohne weiteres befolgt werden. Auch gilt hier nicht unbedingt immer die Aussage, daß gute Fotos im Kopf entstehen. Oft hat das Fotografieren in der freien Wildbahn vielmehr einen dokumentarischen Charakter. In vielen Fällen ist es nicht möglich, sich stundenlang mit dem Motiv zu beschäftigen und auf alle gestalterischen Details zu achten. Störende Bildelemente (Äste, Grashalme usw.) können und müssen nicht immer entfernt werden. Diese verfälschen die Natur und zeigen sie nicht so, wie sie vorgefunden wurde. Wenn man dies dennoch tut, sollte der Betrachter der Fotos darüber informiert werden.

In Zoos, Wildparks oder Faknereien ist es selbstverständlich möglich, sehr gute Naturaufnahmen zu machen. Die garantierte Präsenz der Tiere und ein wenig Geduld erlauben wunderbare Fotos, zumal oft keine Hinweise auf die Gefangenschaft ins Bild kommen, wenn der Bildausschnitt und der Standort günstig gewählt werden. Und obwohl diese Aufnahmen manchen Fotos von Tieren in der freien Wildbahn täuschend ähnlich sehen, haben die Betrachter ein Recht darauf zu erfahren, woher die Aufnahmen stammen.

Fritz Pölking schlägt vier Kategorien zur Kennzeichnung von Naturaufnahmen vor. Meine Fotos von Tieren und Insekten tragen die im folgenden erläuterten Kennzeichen.

  • Ein Naturdokument - nicht arrangiert oder manipuliert
    (A nature document - not arranged nor manipulated)
    Diese Angabe erfolgt immer, wenn ich in keiner Weise in das Motiv eingegriffen habe.
     
  • Wild und kontrolliert
    (wild and controlled)
    Bei allen Aufnahmen von freilebenden Tieren und Pflanzen sowie Landschaften, wo ich eingreife, mit Futter oder Lockmitteln, Tiere zu fotogenen Plätzen dirigiere oder umsetze, mit Rufen oder Geräuschen arbeite, Zweige und Blätter entferne oder zufüge usw.
     
  • Captive
    Für alle Aufnahmen von zahmen oder gefangenen Tieren setze ich diese internationale Bezeichnung ein.
     
  • Montage
    Bei allen Aufnahmen, die nicht durch eine Belichtung in der Kamera entstanden sind, also Doppelbelichtungen, Sandwiches, digital veränderte oder geschaffene Bilder.


Echte Naturaufnahmen sind die, wo der Fotograf in keiner Weise in das Motiv eingegriffen hat. Die Premiumklasse der Naturfotografie. Sie bringt die 'Freude am Echten'.

Arrangierte Naturaufnahmen sind die, wo der Fotograf eingreift, mit Futter arbeitet, mit Lockmitteln (Tonband, Rufe, Geräusche usw.). Wo er Zweige und Blätter entfernt oder zufügt, wo er Landeäste anbringt (etwa an der Winterfütterung, bei Bienenfressern) usw. Jeder kennt ja alle die hübschen Fotos von Bächen usw., mit malerisch vom Fotografen drapierten bunten Herbstblättern auf den Steinen im und am Rande des Baches, wo man ganz deutlich erkennen kann, das die niemals in Wirklichkeit dort gelegen haben. Oder wenn ich etwa in einem Artikel über 'Gleiter' in der Zeitschrift National Geographic das Foto einer Schlange sehen, die sich aus einem hohen Baum zur Erde hinabgleiten läßt, dann wüßte ich schon gerne, ob die freiwillig durch die Luft fliegt und die Haltung der Schlange auf dem Foto eine natürliche ist, oder ob der Fotograf sie für dieses Foto zehnmal in die Luft geworfen hat, und das Foto eigentlich die Haltung einer geworfenen Schlange zeigt. Früher hieß es ja für die Journalisten und Fotografen von National Geographic 'Nicht bezahlen, nicht eingreifen'. Ich wüßte schon gerne, ob das immer noch gilt. Am überzeugendsten kann man das natürlich durch einen klaren Vermerk am Bild dokumentieren.

Erfundene Naturaufnahmen sind welche, wo der Fotograf Doppelbelichtungen macht, zwei Dias zusammenkopiert, und natürlich die ganzen digitalen Kunstprodukte, wo man störende Details mit dem digitalen Retuschepinsel entfernt, ein Tier fünfmal auf ein Bild kopiert usw.).

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