Fritz Pölking

Digital fotografieren?

In den letzten Monaten des Jahres 2002 habe ich zweigleisig fotografiert. Mit der EOS-1 V auf Diafilm und mit der EOS-D60 auf Chip. Wenn es nur um die Tätigkeit des Fotografierens ginge, würde ich sofort nur noch mit einer Digitalkamera arbeiten. Die Vorteile sind groß und es ist angenehm, digital zu fotografieren.

Man muss keine Filme mehr mitnehmen und spart dadurch langfristig gesehen Geld. Man hat auf Flugreisen etliche Kilo weniger Handgepäck zu tragen, und braucht keine Angst mehr  vor Röntgenkontrollen auf den Flughäfen zu haben.

Zweitens bekommt man bessere Bilder, weil man direkt nach der Aufnahme kontrollieren kann. Nicht besonders gut auf dem kleinen Monitor, aber immerhin. Vielleicht sollte man sich einen Lichtschachtsucher mit eingebauter Lupe von einer 6x6 Kamera besorgen und mitnehmen, um das Monitorbild auf der Rückseite der digitalen KB-SLR besser beurteilen zu können.

Abends im Hotel kann man dann auf dem größeren Bildschirm des Notebooks oder Labtops alles ganz genau überprüfen, und hat dann die beruhigende Gewissheit, (vielleicht) alles richtig gemacht zu haben.

Ich hatte für diesen Zweck das JVC Mini-Notebook XP-3210 mitgenommen, das nur 850 Gramm wiegt, DIN-A 5 klein ist, und mit dem man natürlich auch (fast) überall seine E-mails weltweit abrufen kann - wenn man ein Dreiband-Handy mitnimmt.

Ein Arbeitsbeispiel: Im September arbeitete ich im Carlsbad Cavern Nationalpark in riesigen Höhlen in 230 Meter Tiefe bei schwierigen Lichtverhältnissen. Mit der digitalen Kamera kann man die Wirkung des vorhandenen Kunstlichtes und des zusätzlich eingesetzten Blitzlichtes direkt überprüfen und Korrekturen vornehmen. Mit Film muß man erst einmal ein Labor suchen und finden, das einem schnell (was ist in einem Kaff in New Mexiko schnell?) ein paar Diafilme zur Probe entwickelt (siehe auch das 'Naturfoto des Monats November 2002', und das Portfolio 'Carlsbad Cavern').

Vom Fotografieren her also ein 'Ja'. Digital zu fotografieren ist einfach, macht Spaß, man hat immer ein sicheres Gefühl und muß nicht Wochen auf die Ergebnisse warten um zu sehen, ob und welche -  unwiederholbaren - Aufnahmen man in den Sand gesetzt hat.

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Aber man muss die digitale Naturfotografie in zwei Teilen sehen. Erstens die eigentliche digitale Fotografie, und zweitens die weiteren Arbeiten. Da ist es dann nicht mehr so lustig.

Man muß sich alle Aufnahmen auf dem Labtop ansehen, löschen oder auf der Festplatte speichern  und - zur Sicherheit - noch eine CD brennen. Verschlagworten sollte man sie auch noch, und zwar sehr sorgfältig. Und wenn man einmal 250 Dateien geöffnet, mit Photoshop bearbeitet, verschlagwortet und wieder geschlossen hat, dann muß man die Arbeit am Computer schon sehr lieben, um daran Spaß  zu haben.

Später zuhause muß man ein digitales Bildarchiv anlegen, pflegen, und immer Sicherungskopien machen. Denn vielen Fotografen sind schon Datensätze im digitalen Nirwana verschwunden und nie wieder aufgetaucht. 

Bis das alles problemlos läuft und funktioniert, braucht man viel Geld, viel Zeit, sehr gute Nerven und professionelle Hilfe.

Im Grunde sehe ich die Sache ganz einfach: Wer nur zu seiner privaten Freude Natur fotografiert und ein absoluter Computerfreak ist, der sollte auf jeden Fall digital fotografieren. Wer nicht gerne mehr als unbedingt notwendig mit einem Computer arbeitet, sollte lieber weiterhin Film nehmen; denn der Zeitaufwand  am Computer  für  die digitale Naturfotografie ist enorm.

Bei Profis und Semiprofis wird langfristig der Markt entscheiden, was diese nehmen müssen. Zur Zeit sehe ich mit Erstaunen, dass ich mit meinen Datensätzen aus den letzten Monaten praktisch beruflich überhaupt nichts anfangen kann, und nur Dias benötige.

Irgendwann in der Zukunft werden Naturfotografen die veröffentlichen wollen, beides benötigen: Datensätze und Dias. Es wird sicher nicht so kommen wie etwa bei den Sportfotografen, denen die Redaktion eines Tages mitteilten: 'Ab 15. des nächsten Monats nehmen wir nur noch Datensätze an und keine Dias mehr'. Der Sportfotograf hatte also die Wahl, entweder digital zu fotografieren oder seinen Beruf zu wechseln.

Im Augenblick will die überwältigende Mehrheit der Redaktionen und Agenturen  noch Dias haben. Ich weiß auch nicht genau, ob (viele) Agenturen nicht auch in 'mittelferner Zukunft' - oder sogar immer - Dias bevorzugen werden, denn ich kann mir vorstellen, das eine Bildagentur wesentlich glücklicher ist, wenn sie die Dias von 300 Fotografen selber nach einem einheitlichen Standard auf einem erstklassigen Trommelscanner von eine Fachkraft selber scannt, als von 300 Fotografen die verschiedensten Datensätze in den merkwürdigsten Qualitäten und Formaten und Beschriftungen zu bekommen.

Auch die Bildagenturen stehen mittelfristig vor der Entscheidung, lieber auf absolute Qualität zu setzen, oder lieber Personal und Arbeit zu sparen, und mit einer mittelprächtigen Qualität preislich und kostenmäßig besser dazustehen.

Beruflich ist man aber sicher mittelfristig auf der sicheren Seite, wenn man beides anbieten kann. Dabei erhebt sich die Frage was besser ist: Digital zu fotografieren, und sich bei Bedarf  Dias ausbelichten lassen, oder ob man mit Diafilm arbeitet, und bei Bedarf im Dia-Scanner Datensätze selber herstellt.

Persönlich habe ich mich vorläufig für die zweite Variante entschieden, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens will ich nicht noch mehr Stunden am Computer zubringen als ich sowieso schon vor dem Bildschirm sitzen muß.

Zweitens brauche ich (noch) zu 95 % Dias und nur zu 5 % Datensätze. 

Drittens kann ich sehr gute Datensätze auf meinem Nikon 4000 Dia-Scanner praktisch kostenlos und auch mit geringem Zeitaufwand (dank Stapelmagazin) selber herstellen, wogegen erstklassige Dias von Datensätzen etwas problematisch bzw. sehr teuer zu sein scheinen.

Im Augenblick (2002/2003) habe ich den Eindruck, das ich am besten bedient bin, wenn ich - zumindest vorläufig - weiterhin auf Diafilm fotografiere, und - wenn ein Kunde oder eine Bildagentur  Datensätze bevorzugt -, - ihm diese halt mit dem Nikon Scanner 4000 scanne und ihm als CD schicke, und ansonsten ganz gelassen abwarte, wie sich der Markt - und wohin und wie schnell - entwickelt. 

Wenn wir abwarten, wird das die Industrie nicht erfreuen, aber unter den digitalen Druck, dem Presse- und Sportfotografen ausgesetzt sind oder waren, werden wir Naturfotografen sicher nicht kommen. 

Und mit einer abwartenden - und mit Dias und Scanner auch sicheren - Position, wird man wahrscheinlich auch einen großen Haufen Geld sparen können, denn alles was man für die digitale Fotografie benötigt, wird von Jahr zu Jahr billiger, besser und auch einfacher zu bedienen.  Warum also jetzt für Sachen viel Geld ausgeben, die man heute nicht wirklich benötig und die man  später wesentlich billiger und besser bekommen kann? Falls man irgendwann wirklich umsteigen will oder muß. Wobei ich die digitale Zukunft der Naturfotografie lange nicht mehr so euphorisch sehe wie noch vor Jahren.

Auf jeden Fall muß man aber sagen, das die digitale Fotografie ein Segen für unsere Zunft ist. Sie bringt Schwung in den Markt, motiviert die Industrie zu investieren und sieht uns auf der Höhe der Zeit als eines der modernsten Medien überhaupt. Wenn ich mir etwa die letzte Photokina in Köln im Oktober 2002 ansehe und nur als Film-Photokina ohne die vielen digitalen Inovationen vorstelle, dann hätte die ganz schön alt ausgesehen, und die Fotografie wäre ganz leicht und ganz schnell in den Hauch eines Mediums von Gestern gekommen - wie etwa die Schwarzweißfotografie - und würde vielleicht bald ein Nischendasein fristen.

Im Augenblick finde ich es aber noch fantastisch, meine Tieraufnahmen weiterhin auf Sensia-100 zu fotografieren und meine Landschaften auf Velvia-50, um dann für Kalenderverlage und alle anderen die  Dias bevorzugen, diese anbieten zu können, und für den Rest schmeiße ich einfach meinen Nikon Coolscan 4000 ED mit Stapelmagazin an, und lasse ihn vollautomatisch - ohne das meine Anwesenheit erforderlich ist - in einem Rutsch 50 Dias zu Datensätzen mit je 54 MB scannen. 

Und in einigen Jahren kann man ja überprüfen, ob dieses Konzept weiterhin trägt, oder ob man nach der Photokina 2006 besser  auf Digitalkameras umsteigt. 

Alles wird gut...

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