Fritz Pölking

Grevener Chaostage,

oder: Das Ei des Christopher Colon.

Viele Naturfotografen haben Probleme mit den Stabilisatoren in den Teleobjektiven. 

'Kann man sie vom Stativ aus benutzen' ist für Naturfotografen dabei eine ganz wichtige Frage. Denn je länger die Brennweite, je hilfreicher ist ein Stabilisator.

Da man aber nicht, kaum oder fast nie ein 4.0/500er oder 4.0/600er in der Naturfotografie aus freier Hand oder vom Einbeinstativ aus benutzt  (wie es viele Sportfotografen tun), ist die Frage der Stativtauglichkeit bei Stabilisatoren von großem Interesse.

Denn wenn sie vom Stativ aus nicht arbeiten, kann ich ja auch ein gebrauchtes 500/600er kaufen, und muss nicht das (teure) neue mit Stabilisator nehmen.

Für Canon gilt folgendes:

Die Stabilisatoren der ersten Generation  (28-135, 4.0/300 und 4,5-5,6/100-400 mm schaffen 1-2 Stufen und sollten bei Stativgebrauch abgeschaltet werden, da es auf dem Stativ -selten, aber möglich - zu unschärferen Aufnahmen kommt mit angeschaltetem Stabilisator.

Die Stabilisatoren der zweiten Generation (2.8/300, 2.8/400, 4.0/400, 4.0/500 und 4.0/600 mm) schaffen auch 1-2 Stufen und arbeiten auch vom Stativ aus.

Die Stabilisatoren der dritten Generation (2.8/70-200 mm) schaffen 2-3 Stufen und arbeiten vom Stativ aus.

Die Stabilisatoren der vierten Generation (3.5-5.6/28-300 mm) schaffen 3 Stufen und arbeiten auch vom Stativ aus.

Nun sagt Canon, dass es keinen Sinn macht, die Stabilisatoren der 2-4 Generation auf dem Stativ anzuschalten, weil die Objektive erkennen, dass sie auf einem Stativ sind, und sich dann 'intern' abschalten. Man hört sie zwar noch, aber in Wirklichkeit tun sie nichts. Daher ist es nur Stromverschwendung sie anzulassen und man kann sie genau so gut ausschalten.

Nun erkennt ein Objektiv sicher nicht, das es  auf einem Stativ befestigt ist, sondern bemerkt nur, dass es so bombenruhig steht, das der Stabilisator völlig überflüssig ist und schaltet sich freundlicherweise ab.

Das von Canon gesagte gilt sicher, wenn man ein 3000,- Euro Sachtlerstativ nimmt mit einem 1.500,- Euro Kinoneiger und darauf eine nicht zu lange Brennweite  befestigt, etwa ein 2.8/300 mm und alles bei Windstille schön und solide fest steht.

In der Regel arbeitet man aber oft auf wackligem Wiesen- oder Sumpfboden, aus dem Auto heraus mit einem Scheibenstativ oder mit ausgezogener Mittelsäule und - häufigster Fall - mit einem Kugelkopf, der für ein 500er oder 600er viel zu 'pipi' ist.

Jetzt stellen Sie sich mal hinter eine Kamera auf dem Stativ und ohne etwas festzuhalten, mit einem 400er, 500er oder 600er davor mit der Stativschelle auf dem Kugelkopf befestigt, und tippen mal nur so ganz eben an die Kamera und schauen dabei durch den Sucher (ohne sie festzuhalten). Da schwingt es ganz lustig hin und her.

D a s  bemerkt der Stabilisator mit Sicherheit und arbeitet freiwillig. Und wenn Sie jetzt noch hinter dem 400er oder 500er einen 1,4x oder 2x Konverter haben, dann schwingt das so, als wären Sie unter einer Zirkuskuppel. 

Also Quintessenz: Er arbeitet auf dem Stativ, je kürzer die Brennweite und je solider Stativ und Kugelkopf sind, je weniger arbeitet er, und je länger die Brennweite, je wackliger Stativ und Kugelkopf und je windiger es ist und je mehr Konverter und Zwischenringe sie benutzen, je mehr arbeitet er.

Hier noch ein hübscher Trick für Naturfotografen die mit Canon arbeiten, analog ab EOS-3 und digital ab EOS-10 D aufwärts:

Lassen Sie an den langen Brennweiten den Stabilisator (ab Generation-2) immer eingeschaltet, und an der Kamera die Spiegelvorauslösung (Individualfunktion 12) immer eingeschaltet.

Wenn Sie jetzt mit kurzen Brennweiten arbeiten (also in der Regel statische Motive wie Landschaften und Pflanzen), haben sie immer die Vorteile der Spiegelvorauslösung, müssen aber zweimal hintereinander auslösen, was bei solchen Motiven aber kein Problem ist.

Und wenn Sie mit langen Brennweiten - die einen Stabilisator haben - jetzt statische Motive fotografieren, und sich sagen: Da nehme ich doch lieber die Spiegelvorauslösung als den Stabilisator, weil die SVA ja doppelt bis dreifach so scharfe Bilder liefert wie der beste Stabilisator, dann müssen Sie nichts tun, weil Sie ja die SVA eingeschaltet haben, und diese Priorität hat vor dem - eingeschalteten - Stabilisator.

Wenn Sie jetzt aber Tiere in Aktion aufnehmen möchten, dann schalten Sie einfach die SVA aus, und haben - automatisch - den Stabilisator an, weil er ja bereits eingeschaltet ist und sich automatisch aktiviert, wenn Sie die SVA ausschalten.

So hat man auf jeden Fall  i m m e r  einen Schärfegewinn, entweder durch den Stabilisator oder durch die SVA, und das ist doch ganz hübsch... Und wenn's schon eingebaut ist, warum darauf verzichten und Bildschärfe verschenken? 

 

 Mit Stabilisator eingeschaltet. 

Ohne,  aber mit Spiegelvorauslösung.


                                                                                                           

Ohne Stabilisator und ohne SVA.

Schauen Sie sich mal die drei Rostflecken am Thermometer auf dem unteren Bild links von mittleren Strich an.
Sie sind eigentlich kaum noch als Punkte zu erkennen.

4.0/500 mm mit 1/15 sekunde fotografiert, vom Stativ und alle Bilder mit Kabelauslöser fotografiert, ohne Kamera oder Objektiv zusätzlich festzuhalten.

Alle drei Dateien sind völlig unbearbeitet, ohne Schärfung, ohne Kontrastverbesserung usw.

Die Aufnahmen sind mit der relativ schweren Mark II gemacht, wobei das Gewicht der Masse noch schlimmere Unterschiede verhindert hat.

Mit einer leichten 300 D der 10 D wäre das Unheil wahrscheinlich noch größer geworden.

Je leichter die Kamera, je mehr sollte man darauf achten, vorhandene Hilfsfunktionen auch zu nutzen.

Zum Beitrag kam  diese E-mail:
 
14.8.2004

Hallo Herr Pölking,

 
in dem Artikel "Stabilisatoren von Colon" schreiben Sie:
 
Nun sagt Canon, dass es keinen Sinn macht, die Stabilisatoren der 2-4 Generation auf dem Stativ anzuschalten, weil die Objektive erkennen, dass sie auf einem Stativ sind, und sich dann 'intern' abschalten. Man hört sie zwar noch, aber in Wirklichkeit tun sie nichts. Daher ist es nur Stromverschwendung sie anzulassen und man kann sie genau so gut ausschalten "
 
Das habe ich aus der Anleitung meines 70-200/2,8 IS auch noch so in Erinnerung.
 
In den aktuellen CPS-Artikeln im Internet beschreibt Canon das aber mittlerweile anders:
 
Dort wird für IS ab der zweiten Generation angegeben, daß für den Stativbetrieb ein "special mode" existiert. Übereinstimmend mit Ihnen wird dort der Gebrauch des IS auf dem Stativ empfohlen, weil Auslöseruck und Spiegelschlag gedämpft werden. Wörtlich heißt es dort: "In this mode, IS detects and corrects for mirror slap and shutter movement at slow speeds, but not for 'normal' lens shake."

Mit freundlichen Grüßen, Detlev Rackow

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