Ein etwas anderer Blick von draußen:
Aus der holländischen Zeitschrift FOTO,  Heft 7/8, 2002

Jan van Gelderen

                             
Naturfotografie
         
als Unternehmen

DIE PERLEN IM WERK VON FRITZ PÖLKING

Fritz Pölking, 66 Jahre alt, ist wahrscheinlich der am besten verkaufende Naturfotograf auf der Erdkugel. Damit ist nichts Unanständiges gemeint. Für die Naturfotografie benötigt man furchtbar strapazierfähige Sachen, verbraucht man kilometerweise Film, um zu verkäuflichen Bildern zu kommen, und sind äußerst kostspielige Expeditionen nötig.

Eben mal in die Äußere Mongolei zu fahren, um Schneeleoparden zu fotografieren, kostet viel mehr, als man selbst bei vorsichtigster Betrachtungsweise auf den Etat gesetzt hat. Der Naturfotograf, der im Geschäft bleiben will, muß eine enorme Produktion und einen ausgezeichneten Verkaufsapparat haben.

Alle wichtigen Agenturen auf der Welt haben Tausende bis Zehntausende von Dias von Pölking auf Lager. Das bringt pro Dia pro Jahr einen Dollar, sagt er. Das kann man viel oder wenig nennen. Viel, weil man ja nichts mehr dafür tun muß, wenig, weil jedes Jahr in Pölkings Unternehmen mindestens 50.000 Dias in die Müllverbrennung gehen, die somit nichts einbringen.

Pölking, trotz seines spärlich eingerichteten Büros in dem einschläfernden Städtchen Greven bei Münster, ist ein Globalist, spricht in Dollars, denkt in Lizenzausgaben seiner Bücher und ist ein unternehmungslustiger Geschäftsmann. Das kommt daher, daß er so lange ausgehalten hat, sich die entlegensten Ecken der Welt angesehen und Fotos auf seinem Konto verbuchen kann, die noch kein anderer gemacht hat. Er will noch  nach Australien. Den Rest der Welt kennt er. Er hat keine Känguruhs im Angebot, aber ansonsten kann er alles liefern: vom Schneeglöckchen bis zum Schneeleoparden, von der  Ente bis zum ganz weißen Zebra. Immer scharf und gut belichtet, und äußerst fachkundig. 

Künstler

In diesem enormen Strom von für Bücher, Kalender, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Schulbücher, Reklame, Arztblätter und so weiter bestimmten Dias tauchen dann auf einmal Bilder von so unglaublicher Schönheit auf, daß einem das Herz stehen bleibt, wenn man sie zum ersten Male sieht. Mit fehlerfreier Treffsicherheit wählte das Stadtmuseum Schleswig die Bilder für eine Wanderausstellung seines Werkes in Deutschland aus, und damit ist Fritz Pölking zugleich zum kreativen Fotografen erhoben worden, der er ja auch in Wirklichkeit ist. Ein Gespräch mit ihm ist möglich. Der schmächtige, viel jünger aussehende Pölking ist vorsichtig, behutsam und gibt nur wenig über sich selbst preis. Ich versuche, ihn herauszulocken, indem ich ihm provokative Fragen stelle wie beispielsweise "Was bedeutet Natur für Sie?" und unverschämte wie "Sind Sie religiös, bringt Sie der Kontakt zu Tieren dem Schöpfer näher?"

Die Antworten sind nichtssagend, doch vielsagender ist der ironische Blick, der sie begleitet. Halten wir uns in dem Gespräch an die praktischen Dinge des Fotografierens und des Geschäftes, und das scheint ein guter Ansatz zu sein, bei dem er Aussagen macht, die durchaus mit dem Herzen zu tun haben. Er gesteht seine Liebe zu den Katzenartigen, etwas, das unter anderem zum Ausdruck kommt in dem Bild von der mit ihrem drei Monate alten Leopardenjungen spielenden Mutter.

"So würde ich sie immer machen wollen", sagt er, "dieses Bild zeigt wirklich, was dort geschieht. Das überaktive Junge, das nicht weiß, wann es aufhören muß, die Mutter, die schon bald genug davon hat, man sieht es an ihrem Ausdruck, und das Junge reagiert darauf indem es seine Ohren nach hinten stellt, ein aggressives Maul macht und mit der offenen Klaue zu einem Streich bereit steht. Aber das durfte es nicht, und das sieht man am seitlichen Wegdrehen des Körpers, bereit, weg zu rennen." Ein Foto muß die vollständige Geschichte erzählen, meint er. Wenn das mit einem Dia nicht klappt, dann aber mit mehreren Dias. Wenn das so wichtig ist, warum haben Sie dann niemals gefilmt?

"Ich kann nur eine Sache zur gleichen Zeit machen. Ich finde es selbst bereits unmöglich, in schwarzweiß und Farbe nebeneinander zu fotografieren." 

Es gibt so wenig Blut auf Ihren Fotos. Selbst auf dem schrecklichen Bild des Krokodils, das eine Gazelle reißt, ist kein Tropfen Blut zu erkennen. "Blut verkauft sich nicht. Zeitschriften stellen die Natur nur als schön, romantisch, sauber geharkt dar. Hier, was halten Sie von diesem Bild? Ein Leopard hat eine hochträchtige Thompsongazelle getötet, mit seinen Klauen die Jungen herausgerissen und aufgefressen. Wenn man denkt: so etwas geschieht halt seit sechzig Millionen Jahren, das ist die Evolution, okay! Aber wenn Sie meinen, daß - wie es in allen Religionen auf der ganzen Welt gesagt wird - ein Plan dahinter steht, dann muß man aber doch auch Fragezeichen hinter das Perverse und Sadistische in der Schöpfung setzen dürfen. Zeitschriften lassen ihre Leser lieber schlafen. Dieses Foto wird niemals veröffentlicht."

Warum erscheinen viele Ihrer Fotos uninspiriert und warum beschäftigen Sie sich bloß mit Dokumentation? " Weil es dafür einen enormen Markt gibt. Unterricht und Wissenschaft benötigen genaue Abbildungen von Pflanzen und Tieren."

Neue Techniken

Nachdem Sie jahrelang mit Nikon gearbeitet haben, sind Sie umgestiegen auf Canon. Warum?

"So wie ich auch umgestiegen bin von Olympus auf Nikon. Es geht um die technischen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Die EOS hat eine ganz besonders angenehme Spiegelvorauslösung. Perfekt für Makro-Aufnahmen. Und was für mich noch wichtiger ist: Canon’s Teleobjektive mit Bildstabilisator. Damit kann man mit 1/125 Sekunde das fotografieren, wofür man mit einem normalen Objektiv ein Tausendstel benötigt. Ich kann jetzt Fotos machen, die noch nie gemacht worden sind. In Kürze fahre ich nach Neumexiko, um die berühmten Fledermauskolonien zu fotografieren. Bei der Abenddämmerung kommt es zu Schwärmen von Zehntausenden von diesen Fledermäusen. Das ist noch selten fotografiert worden, weil es sich immer bei einfallender Dunkelheit abspielt. Und was ganz sicher noch kaum fotografiert worden ist, das sind die Greifvögel, die sich auf die Fledermäuse niederstürzen und als ihre Beute schlagen. Mit den neuen Canon’s kann ich das, so hoffe ich, auf Film bannen, und mit dem neuen Filmmaterial von Fuji, das man so gut wie ohne jeden Schärfeverlust bis zu ungekannten ISO-Werten aufwerten kann, ist das eine vielversprechende Kombination. Ich hoffe, das mir das gelingt."

Sie haben noch andere Bilder gemacht, die kein einziger anderer Fotograf gemacht hat. Ich denke da an den auf der Riesenschildkröte landenden Bussard auf den Galapagos (erster Preis 1982 der amerikanischen Zeitschrift National Wildlife) und bei den Schneeleoparden in der Mongolei waren Sie der zweite. Mit Ihren Fotos von tauchenden und Fische fangenden Eisvögeln waren Sie einer der Ersten. Ist das Ihr größter Reiz in der Naturfotografie? Etwas zu tun, was noch niemals getan worden ist?

"Nein, noch einmal, der größte Reiz für mich in der Naturfotografie ist ein Bild, das die Geschichte erzählt. Aber es ist nun mal so, daß Fotos, die ein anderer nicht hat, das meiste Geld bringen. Die Eisvogelbilder sind vor fünfundzwanzig Jahren entstanden. Sie haben aber alleine  in den letzten zwei Jahren noch  38.000.- Euro eingebracht. Sehen Sie, dann kann man noch mal in die Mongolei fliegen, und ich finde es toll, daß ich dort die Schneeleoparden gefunden habe, aber die Geschichte ist nicht vollständig. Ich muß noch zurück.

Was ist die größte Befreiung der Naturfotografie gewesen?

"Die Erfindung des Lithoscanners, der es möglich machte, gute Druckfilme von Kleinbildaufnahmen zu liefern. Vor dieser Zeit mußte man Dias im Format von mindestens sechs mal sechs Zentimeter liefern, und eine Hasselblad oder einePlatten-Kamera sind zu langsam für die meisten Motive in der Naturfotografie." Wo haben Sie Ihr Fach gelernt?

"Die Technik habe ich in der Praxis gelernt. Neben meiner Arbeit in der Konditorei meines Vater begann ich, als Fünfzehnjähriger Tiere zu fotografieren: Später wurde ich Profifotograf für Industrie und Architektur. Da lernt man belichten, mit Kontrast umzugehen, zu entwickeln, Abzüge zu machen. In dieser Zeit kannte man in Deutschland zwei Naturfotografen: Hermann Fischer Warenholz und Walter Wissenbach. Der erste lieferte viele Fotos jagdbarer Tiere, und Wissenbach ist bekannt geworden für seine stroboskopischen Fotos, Aufnahmen mit Ultrablitz. In England arbeitete etwas früher der Vogelfotograf Eric Hosking in dieser Technik. Sie waren die Vorbilder, nach denen ich mich richten konnte."

Nicht unerwähnt sollte bleiben, das Pölking Legionen europäischer Naturfotografen angeführt hat mittels seiner in eigener Regie (Kilda-Verlag) herausgegebenen Zeitschrift NATURFOTO, die er vor 10 -12 Jahren  wegen zuviel Arbeit an den Verlag Tecklenborg in Steinfurt abgegeben hat. Viele haben über diese Edition, in der das Beste auf dem Gebiet der Naturfotografie veröffentlicht wurde, das Licht gesehen. 

Welches ist der beste Rat, den Sie für einen am Anfang seiner Laufbahn stehenden Naturfotografen haben?

"In der Nähe seines Zuhauses zu bleiben und zu versuchen, alles über das Verhalten und die Gewohnheiten der Tiere, die man fotografieren möchte, in Erfahrung zu bringen. Ein Fotoapparat hat noch nie ein Foto gemacht; auf den Knopf drücken kann jeder, aber nur durch eine gründliche Studie der Objekte findet man den richtigen Augenblick, um auf den Auslöser zu drücken."

Stellen Sie sich vor, Sie glauben an die Reinkarnation. Als was würden Sie gerne auf die Erde zurückkommen wollen?

"Als die Frau eines Profifußballers."

  

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