Technik nutzen

Als Naturfotografen leben wir in einer herrlichen Zeit: noch nie zuvor gab es für uns so gute Kameras mit solchen Möglichkeiten, solche hervorragenden Objektive mit ED, L oder APO-Gläsern. Solche fantastischen Filme wie die der neuen Generationen von Fuji und Kodak, die in der Klasse der looer Emulsionen vorher kaum für möglich gehaltene Schärfe, Feinkörnigkeit und Farbwiedergaben erreichen, und auch das weitere handwerkliche Zubehör läßt kaum Wünsche offen. Wir sollten diese Technik nutzen, wann immer wir dadurch ein Ergebnis verbessem können. So ist etwa auch das Bild des ruhenden Leoparden in seinem Versteck (Leoparden, Seite 38) etwas trickreicher entstanden, als ihm vielleicht auf den ersten Blick anzusehen ist:

Es war Anfang Dezember 1994 in der Mittagszeit, als ich bei Mang'aa, dem ein Jahr jungen Leopardenmännchen stand, und ihm zuschaute, wie er im Graben lag und schlief.

Er hatte am Morgen unter einem Baum gelegen und an einem Impalakitz gefressen, und war dann später mit der Beute in diesen Graben umgezogen. Hier lag er jetzt schon seit einigen Stunden und faulenzte. Nun kann ich schlafenden Leoparden unendlich lange zuschauen, vor allen Dingen jetzt, weil es hier in dieser Situation ein vollkommener Moment in der Natur war: friedlich, still, angenehm warm und vor mir ein sichtlich zufriedenes Tier .

Besseres als dieser Moment kann einem Leoparden eigentlich überhaupt nicht passieren: Er liegt vollgefressen an einem schönen, schattigen Platz, niemand kann ihn da unten im Graben sehen, und wenn er wieder Hunger bekommt, dann liegt die nächste Mahlzeit schon fertig neben ihm. Paviane können ihn nicht stören, denn die trauen sich nicht in einen so unübersichtlichen Graben; und sein ärgster Feind, der Löwe, ist bei dieser Hitze am hellen Tag sicher nicht unterwegs. Und all' die anderen Tiere, die Lärm machen würden wenn sie ihn sehen, können ihn da unten nicht entdecken. Er ist praktisch nur von meiner Position aus sichtbar, weil ich aus dem Dach des Wagens schauen kann.

So sehr ich die Situation auch genoß, so sagte ich mir doch nach einiger Zeit: Pölking, du bist nicht hier um zu genießen, sondern um zu arbeiten, also laß' dir was einfallen. In solchen Momenten versuche ich dann immer darüber nachzudenken, was man denn aus so einer Situation wohl fotografisch machen könnte, die doch anscheinend nichts hergibt - ein schlafender Leopard, halb verdeckt in einem dunklen Graben...

Im Grunde ist man als Fotograf oft zu sehr auf sein Motiv konzentriert und hat Mühe, sich davon zu lösen. Während ich also geistige Lockerungsübungen machte und versuchte, in irgend einem versteckten Winkel meines Gehirns eine Idee zu finden, sah ich plötzlich mein Bild: Da hatte ich eine Ikone, den Archetyp eines Leopardenfotos vor mir, und ich hatte es die ganze Zeit über nicht bemerkt. Gute Nacht Pölking - schlaf' ruhig weiter..

Was ist denn überhaupt das faszinierende am Leoparden, warum heißt er im englischen so treffend 'die elusive Katze?'. Weil er eben so geheimnisvoll, nicht zu sehen und nicht zu fassen ist - und dieses Bild hatte ich die ganze Zeit vor mir...

Der Leopard lag tief unten versteckt im Graben, nur aus der Nähe und nur im steilen Winkel aus 3-4 rn Höhe aus der Dachluke vom Wagen aus zu sehen. Um ihn herum die ganze afrikanische Natur, und mitten drin der für alle unsichtbare Leopard, wie er - wenig geheimnisvoll, aber unsichtbar und daher nimbusträchtig - einfach schläft. Ein perfektes Bild vom elusiven Leoparden, und ein Bild, das wirklich mehr sagt als zehntausend Worte: das ist der Leopard bei Tag, die geheimnisvolle Katze.

Erfreulich war, daß ich für dieses Foto wirklich alle Zeit der Welt hatte: der Leopard schlief, alle anderen Wagen waren jetzt zum Mittagessen in die Lodges und Camps gefahren und konnten mich nicht stören, und mit Pavianen und Löwen war auch nicht zu rechnen.

Nur technisch wurde es etwas schwierig: Mit dem Spotbelichtungsmesser der Kamera kontrolliert waren zwischen der sonnenbeschienenen Landschaft von Emarti ya Faru und dem Platz irn Graben wo Mang'aa schlief, locker 2-3 Blenden Unterschied. Dies bedeutete, daß entweder die Landschaft zu hell, oder der Leopard zu dunkel würde. Am Himmel natürlich keine Wolke zu sehen, auf die ich warten konnte, und die den Kontrast drastisch reduziert hätte. Wolken sind ja bekanntlich nur da, wenn man sie nicht gebrauchen kann.

Als einzige Lösung fiel mir aufhellblitzen ein. Wenn es heute schon so schöne Techniken gibt, dann soll man sie auch nutzen.

Für das Foto war das 2.8/24 mm Weitwinkelobjektiv ideal. Damit kam die ganz Landschaft aufs Bild, und der Leopard war trotzdem nicht zu klein - wenn man das Bild ganzseitig druckte - so daß er und seine Beute noch gut zu sehen waren. Das Problem war nur: wie aufhellblitzen? Weil man den Elektronenblitz ja nur mit Verschlußzeiten von nicht kürzer als 1/250 sek. benutzen kann, mußte ich wegen des hellen Sonnenlichtes abblenden auf 8.0. Da einfach 'reinblitzen auf einen 8-10 rn entfernt liegenden Leoparden, das würde nicht viel bringen. Also den Winkel des Blitzreflektors verengen auf 85 mm, was man ja kann beim SB-24, SB-25 und SB-26 Elektronenblitz von Nikon, und sicher auch bei etlichen von anderen Firmen.

Also Objektivbrennweite 24 mm und Blitzlichtwinkel für ein 85 mm Objektiv würde heißen, daß erstens die Blitzlichtwirkung punktuell und viel stärker wird, weil das Licht eben gebündelt ist, und sich nicht auf eine große Fläche verteilt, und zweitens das Blitzlicht nicht sinnlos Äste im ganzen Foto aufhellt, sondern nur da wirkt, wo es soll.

Ein kleines Problem gab es noch: der Leopard war nicht in der Bildmitte, sondern ziemlich weit links, und ohne korrigierendes Eingreifen würde eine falsche Stelle irn Bild aufgehellt. Da gab es wieder zwei Möglichkeiten: entweder den Blitz zu 'entfesseln' und ans Kabel zu nehmen, oder den Blitzkopf nach links zu verschwenken. Das ist ja auch eine wichtige Möglichkeit, daß man bei besseren Elektronenblitzen diesen für indirekte Blitzführung und für Sonderfälle wie hier, nach oben, nach links oder nach rechts drehen bzw. verschwenken kann.

Ich entschied mich nun dafür, den Blitz auf der Kamera zu lassen, und den Blitzkopf nach links zu drehen, bis er genau auf den Leoparden im Graben zeigte. Dies schien mir sicherer zu sein, weil ein Blitzgerät in der Hand gehalten doch nicht so genau und exakt auf das Motiv zielt, wie ein praktisch durch die Objektivausrichtung gezwungenermaßen justierter Blitz.

Nach dieser gedanklichen Schwerstarbeit machte ich die Aufnahmen vom Leoparden mit seiner Beute am Tagesruheplatz, und ein fotografischer Laie wird es fur ein ganz simples Bild halten, wogegen der Naturfotograf sicher die subtile Blitzaufhellung entdeckt, die das Foto erst möglich machte. Man kann die Wirkung des Aufhellblitzes schön erkennen, wenn man iim Leopardenbuch auf Seite-38 ganz rechts unten die nicht aufgehellte Schattenpartie unter dem Strauch mit der Stelle vergleicht, wo der Leopard mit seiner Beute liegt. Da war es noch dunkler. Wenn man diese beiden Stellen miteinander vergleicht, dann ist einem sofort klar, daß der Leopard im Dia da unten irn Graben völlig schwarz geworden wäre, ohne die Blitzaufhellung.

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