6. Tour

1. - 15. Mai 1994

7. Mai 1994

The elusive - der geheimnisvolle, nicht zu fassende Leopard.

Die Tour Nr. 6 begann so schön: Vor vier Tagen kam ich an - nach dem Mittagessen fuhren wir heraus in die Mara, und gegen 16.00 Uhr fanden wir die Leopardin mit ihren beiden Kindern in einem Akazienbaum im Gebiet von Emarti ya Faru -alle drei vollgefressen und satt.

Wir blieben dort bis es dunkel wurde, und - haben seitdem die drei nicht mehr gesehen. Wir haben jeden Tag ihre etwa 20-30 qkm große Homerange abgesucht - keine Spur. Sie sind alle drei wie vom Erdboden verschwunden.

Ein japanischer Kollege, der im Paradies-Camp wohnt, war extra von Tokio eingeflogen, um die drei Leoparden zu fotografieren, und hat sie in der ganzen Woche, die er jetzt schon hier ist, noch nicht ein einziges Mal gesehen.

Ähnlich erging es mir im letzten Jahr irn April, als ich Paradies und ihre Tochter suchte, und volle zwei Wochen nichts von ihnen entdecken konnte.

Leoparden zu suchen ist eigentlich ganz einfach: Vorausgesetzt sie sind überhaupt da, kann man sie mit den folgenden Methoden finden (vielleicht):

I. Man fährt einfach in ihrer Homerange herum und hofft, irgendwann einmal mit 'Dusel' auf sie zu stoßen.

2. Man sucht ganz früh und ganz spät alle Stellen ab, wo die Kleinen spielen können. Denn beim Spiel klettern sie manchmal auf Bäume, oder springen an Büschen herum, wobei die Chance natürlich größer ist sie zu entdecken, als wenn sie ruhig irn Gras liegen.

3. Man sucht in der Mittagshitze alle hohen Bäume ab die der Leopard liebt, weil er um diese Tageszeit dort gerne liegt und sich ausruht.

4. Man versucht ein frisch in der letzten Nacht getötetes Beutetier zu finden, daß er in einem Baum oder hohen Strauch deponiert hat.

Klever wie wir sind, arbeiten wir seit Tagen nach allen diesen Methoden, aber trotzdem ohne jeden Erfolg.

Man braucht halt zusätzlich auch noch viel Glück, denn mindestens ein Drittel des Leopardenreviers kann man überhaupt nicht kontrollieren, weil das Auto - auch mit Vierradantrieb - nicht durch alle Gräben fahren kann, weil Teile des Gebietes zu felsig sind, oder einfach zu dicht bewachsen.

Außerdem haben wir jetzt im Mai so hohes Gras, daß sich der Leopard nicht einmal ducken muß, um nicht gesehen zu werden.

8. Mai 1994.

Afrika ist schon toll! Jetzt im Mai kommen fast jeden Abend in der Dämmerung ein bis zwei Fledermäuse in mein Bad hinten im Zelt geflogen, und hängen sich dort an den Duschkopf der Brause auf, um dort die mitgebrachten Insekten und Nachtschmetterlinge zu verzehren, die sie anscheinend draußen erbeutet haben.

Es rieseln dann immer abgerissene Insektenflügel - die vielleicht nicht zum Verzehr durch Fledermäuse geeignet sind - langsam auf den Boden meiner Dusche. Nach der kopfüber hängend genossenen Mahlzeit fliegen sie immer sofort wieder los, auf der Jagd nach weiteren Beutetieren.

Tagsüber bleiben sie nicht, da hängen sie offensichtlich woanders. Mein Bad ist für sie nur so eine Art Speisezimmer. Zum übertagen ist es vielleicht zu hell.

Warum mißlingen immer die tollen Bilder und nie die belanglosen?

Auf der Märztour hatte ich ein tolles Foto gemacht, und ich war einhundertprozentig sicher, daß es gelungen war .

Die Ergebnisse vom Labor später zeigten, daß die geblitzten Dias m i n d e s t e n s zwei volle Blenden unterbelichtet waren.

Es war an einem frühen Morgen im März gewesen, so etwa zwischen völliger Dunkelheit und allererstem Dämmerlicht.

Die Leopardin saß nur etwa einen Meter über dem Boden auf der untersten Astgabel eines kleinen Akazienbaumes, in dessen Gipfel die beiden kleinen Leoparden an einem toten Impala fraßen, als zwei Hyänen sich der Leopardin bis auf etwa zwei Meter näherten, und diese die Hyänen anfauchte.

Ein grandioses Bild vom Leben im nächtlichen afrikanischen Busch, und vielleicht noch nie vorher so fotografiert.

Ich hatte den SB-24 auf volle Leistung gestellt, den Blitzwinkel auf 85 mm, einen Fujichrome-100 in der Kamera, und das Sigma 2,8/70-210 mm auf Blende 2,8 eingestellt.

Ich war hundertprozentig sicher, daß es geklappt hatte... Wieso nur diese totale Unterbelichtung?

Auf der nächsten Tour maß ich die Entfernung nach, und siehe da, es waren etwas mehr als 20 Meter gewesen zwischen Kamera und Leopardin. 20 rn waren anscheinend doch wesentlich zu weit für den Blitz bei Blende 2,8 und Fuji-loo. Hätte ich doch bloß K-200 oder Fuji-400 genommen... Hätte der Hund nicht... Vielleicht habe ich aber auch einen Bedienungsfehler gemacht, und der Reflektor stand nicht auf 85 mm sondern auf 28 mm... ?

Nachher versuchte ich über ein aufgehelltes Duplikatdia, das mir Studio-13 in Stuttgart herstellte, noch 'zu retten was zu retten ist' (Leoparden, Seite 117) , aber es ist natürlich nur ein schwacher Abklatsch dessen, was möglich gewesen wäre, wenn ich mein Gehirn rechtzeitig eingeschaltet hätte.

Bevor ich später die Entfernung nachgemessen habe, war ich fest davon überzeugt, in der Dunkelheit nicht weiter als lo Metervon der Leopardin entfernt gewesen zu sein..

Strategie und Taktik

Meine Strategie, der Leopardenfamilie mit meinen Kameras zu folgen, bis die Jungen selbstständig werden, scheint aufzugehen.

Die Kleinen sind jetzt schon über 5 Monate alt, und haben damit sicher die gefährlichste Phase ihrer Jugend gut überstanden. Bisher konnte man sie auch relativ sicher finden, meistens 2 - 4 mal pro Woche, weil die Mutter mit ihnen nicht so häufig umzog, und wenn, dann oft nur kleine Strecken zurücklegte.

Jetzt ist aber das Gras so hoch, daß man die Leoparden kaum noch sehen kann, und die Jungen sind so groß und munter, daß die Mutter mit ihnen in der Nacht beliebig weit umziehen kann.

So haben wir die Familie jetzt in vierzehn Tagen nur einmal gefunden - trotz täglicher Suche von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Das ist natürlich sehr uneffektiv.

Die Langzeitstrategie funktioniert prima, aber es gibt anscheinend keine Taktik, wie man Leoparden sicher jeden Tag - oder auch nur jede Woche - finden kann.

Probleme über Probleme: Ohne zusätzlichen Gegenblitz sehen die dunklen Buschbabys
vor dem schwarzen Hintergrund recht traurig aus - mit Gegenlicht löste dieses immer
auch aus, wenn andere Touristen die Buschbabys mit ihren Kompaktkameras zu
fotografieren versuchten, und mir fehlte dann seine Energie, wenn ich ihn für
meine Fotos benötigte.

Buschbabys - die unendliche Geschichte

Im Mara River Camp ist am Waldrand in etwa 1,5 m Höhe ein Brett befestigt, auf das kurz vor der Abenddämmerung immer einige aufgeschnittene Früchte für die nachtaktiven Buschbabys gelegt werden.

Meistens kommen auch 1 - 4 Exemplare in der ersten Stunde der Dunkelheit, um sich an diesem mit einer Lampe angestrahlten Platz das Abendessen abzuholen.

Eine gute Gelegenheit also, einige Fotos dieser nachtaktiven Primaten zu machen. Die auf den ersten beiden Touren gemachten Bilder waren entäuschend ausgefallen - ein dunkler Riesengalago vor einem dunklen Hintergrund sieht nicht besonders gut aus.

Auf den nächsten beiden Touren hatte ich keine Zeit, weil ich immer von den Leopardenfahrten viel zu spät ins Camp zurückkam. Dann hatten die kleinen Primaten schon immer alles aufgefressen.

Auf der fünften Tour wollte ich es nun besser machen: Zum normalen SB-24 Blitz von Nikon nahm ich noch den starken Metz 45B mit Televorsatz mit, um ihn hinter das Motiv placiert als Gegenlicht einzusetzen.

Mit einer Fotozelle versehen löste der Metz-Blitz immer automatisch mit aus, wenn ich mit dem SB-24 an der Kamera eine Aufnahme machte, und umgab das Tier dann mit einem Lichtsaum, der es sich deutlich vom Hintergrund abheben ließ

Leider klappte es auch diesmal nicht: Die TTL-Messung des Führungsblitzes reagierte immer unterschiedlich, je nachdem, wie das Buschbaby saß und wie das Gegenlicht durchkam. Der Hauptblitz gab also mal zuviel und mal zuwenig Licht ab.

Auch hatte ich den rückwärtigen AufheIl-Gegenlichtblitz zu nahe positioniert, so daß der Effekt zu stark wurde, und das Buschbaby aussah, wie von einem Heiligenschein umgeben. Also machte ich zuhause vor der 6. Tour einige Versuche, wie weit der Metzblitz vom Tier entfernt sein muß, damit es im Bild gut und natürlich aussieht.

Außerdem machte ich auch noch einige Proben mit dem Führungsblitz SB-24, mit ausgeschalteter TTL-Messung, also mit Stellung auf M für manuell, wo er ja nicht durch das Fremdlicht des Zweitblitzes irritiert werden kann.

Es war also jetzt alles vorbereitet, um auf der 6. Tour endlich die perfekten Bilder der Buschbabys zu machen, aber - inzwischen war die Mara grün, die Bäume waren in vollem Saft, und die Tiere an der Zusatznahrung durch die Lodge anscheinend zur Zeit nicht interessiert.

Ich werde also mit den Bildern bis zur Trockenzeit warten müssen, bis die Buschbabys dann wieder regeImäßig zur Fütterung kommen.

Es zeigte sich auch hier wieder, daß man gute Aufnahmen nicht immer 'mal so eben' machen kann, sondern daß sie oft mühsam erarbeitet sein wollen. (Masai Mara, Seite 55 und Naturfotografie, Seite 46).

12. Mai 1994.

Während es mit den Bildern für das Leopardenbuch im Augenblick schlecht aussieht, ergeben sich für das Marabuch überraschend erfreuliche Perspektiven.

Schon seit Monaten hatte ich darüber nachgedacht, wie ich am besten Luftaufnahmen vom Gebiet machen kann. Mit dem Ballon war nicht so toll, weil der nur in eine Richtung flog. Ein Flugzeug war auch nicht ideal, wegen der Scheiben und der Geschwindigkeit.

Jetzt plötzlich eröffnete sich eine großartige Möglichkeit: Im Fig -Tree -Camp war ein Franzose, der ein sogenanntes Ultraleicht-Flugzeug hatte, also einen Hängegleiter oder Drachen mit einem angeschraubten Rasenmähermotor .

Das war ideal: der flog sehr langsam, und man saß völlig im Freien - unter sich nur ein suppenteIlergroßer Sitz, und rundherum gar nichts, also ausgezeichnete Fotobedingungen.

Gestern haben wir den ersten Probeflug von einer Stunde Dauer über die Masai Mara gemacht. 'Microlight' zu fliegen ist ein Riesenspaß, und ergibt einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Ich habe auch gleich die Leopardenschlucht und die Feigenbaumallee für das Leopardenbuch mitfotografiert.

Heute morgen sind wir wieder geflogen, diesmal gleich drei Stunden, und haben aus der Luft große Teile der Mara 'abgeklappert'. Vor allem die Bilder vom Mara-Fluß scheinen schön zu werden. Von oben sieht der Fluß aus, als würde er sich winden wie eine Riesenschlange.(Masai Mara, Seiten 16 und 56/57).

Der amerikanische Kollege Tom Brakefield fotografierte hier 'meinen' Landeanflug
mit dem Ultraleicht, nach zwei Stunden Arbeit im Fluge über der Masai Mara.

Benutzt habe ich für die Luftaufnahmen den neuen Sensia-l00. Immer alles fotografiert mit offener Blende 2,8 und Zeitautomatik, um die bestmögliche Schärfe durch die kürzest mögliche Verschlußzeit zu erhalten.

Beste Brennweiten waren 24 mm, 35 mm, 55 mm und 105 mm. Noch kürzere Brennweiten waren nicht möglich, weil sonst die Drähte und Flügel des Fluggerätes mit ins Bild kommen.

Am besten gefielen mir später die Bilder, die ich mit dem 2,8/55 mm Objektiv gemacht hatte.

Da man in der Luft keine Filme wechseln darf, wegen der Gefahr, daß eine davonfliegende Filmpatrone im Propeller landet, hatte ich gleich drei Kameragehäuse umgehängt und mit Objektiven bestückt.

Trotzdem mußten wir natürlich einige Male 'zwischenlanden', weil die drei Filme voll waren, und bei den Gelegenheiten wechselte ich dann auch manchmal die Objektive aus, um verschiedene Brennweiten ausprobieren zu können. Für die Gäste in den Camps sah das sicher etwas merkwürdig aus, wenn da plötzlich so ein Ultraleicht-Flugzeug etwa auf dem Airstrip des Kichwa Tembo Camps landete, einen Augenblick stehen blieb, und dann wieder startete und abflog. Die Leute hatten sicher Schwierigkeiten, sich da einen Reim drauf zu machen.

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