Fritz Pölking

Der Weg zum Arbeitsplatz

Katzen haben mich als Naturfotografen schon immer besonders interessiert - ganz gleich, ob es die Wildkatzen und Luchse in den Gehegen des Nationalparks Bayerischer Wald waren, oder Löwen und Geparde im Schutzgebiet Masai Mara in Kenia.

Besonders fasziniert war ich immer von Leoparden, denen ich viele Jahre mit meinen Kameras in der Masai Mara in Kenia folgte, und von denen ich sicher im Laufe der Zeit über 30.000 Farbdias machte.

Wie viele gute Aufnahmen es von Leoparden gibt, ist schwer zu sagen, aber es müssen große Mengen sein, denn etliche Naturfotografen haben sich schon intensiv mit ihnen befaßt; und in den Naturzeitschriften der Welt sieht man immer wieder großartige Aufnahmen dieser schönen Katzen aus freier Wildbahn.

Nur - ein Bild des Schneeleoparden in freier Natur habe ich bisher nur einmal gesehen, von Georg Schaller 1970 in Pakistans Hindu-Kush-Bergen fotografiert. Trotz 150 Jahre Fotografie scheint es bis 1995 noch nicht gelungen zu sein, häufiger gute Fotos dieser Katze in Freiheit zu machen. Alle anderen Fotos die ich bisher gesehen habe, waren in Zoologischen Gärten oder auf Tierfarmen entstanden, oder zeigten in Fallen gefangene Schneeleoparden. Selbst Forschern, die vier Jahre in der Heimat dieser Katze lebten, gelang es nicht, sie vernünftig zu fotografieren. Es mußte also ganz schön schwierig sein, diese Katze vor die Linse zu bekommen. Trotzdem wollte ich es versuchen, und machte mich auf den Weg..

Der Flug zeigte schon, daß dies eine andere Welt ist: Mein Flug von Münster/Osnabrück nach Frankfurt war pünktlich und verlief problemlos. Der zweite Lufthansaflug von Frankfurt nach Moskau war pünktlich und yerlief auch problemlos. Dann kam der Flug von Moskau nach Ulaanbaatar (der Hauptstadt der Mongolei) mit MIAT, der mongolischen Fluggesellschaft. Zuerst wurde der Flug mit einer Stunde Verspätung aufgerufen - das geht ja noch. Dann saßen wir auf dem Moskauer Flughafen in der Maschine, sie rollte zwanzig Meter, und blieb stehen. Nach etlichen Minuten kamen zwei russische Offizielle an Bord, ginden nach vorne und forderten den Piloten auf, sofort abzufliegen. Der sagte aber: Ich kann nicht fliegen, bevor nicht zwei Wagen kommen - einer der mich zieht, und einer mit einem Anlasser .

Daraufhin gaben die beiden Russen bekannt, daß jetzt jeder seine Papiere bereit halten sollte, es würde kontrolliert. Ein Zusammenhang zwischen dem fehlenden Anlasserwagen und einer Reisepaßkontrolle der Passagiere war eigentlich kaum zu erkennen; es konnte höchstens eine Reaktion darauf sein, daß die Russen kurz vor Abflug in unserem Gate noch jemanden verhaftet hatten...

Der Wagen mit dem Anlasser kam nach gut einer Stunde... - Wieso man auf dem internationalen Flughafen von Moskau eine Stunde braucht, um einen Anlasserwagen an die Maschine zu fahren, ist für einen Wessi ja auch schwer vorstellbar. Aber immerhin, mit zweieinhalb Stunden Verspätung ging es dann los, und wir kamen in Ulaanbaatar mit zehneinhalb Stunden Verspätung an. Wie so etwas möglich ist? Eine Viertelstunde vor der Landung drehte der Pilot den Vogel um und flog zurück. Laut Durchsage der Stewardess war der Flughafen in Ulaanbaatar wegen starker Stürme geschlossen worden. Wir flogen also zurück nach Rußland, landeten auf einem russischen Flughafen in der Nähe eines großen Sees, und verbrachten dort wartend sieben Stunden.

Als wir dann schließlich mit zehneinhalb Stunden Verspätung auf dem Flughafen von Ulaanbaatar gelandet waren, fragte man uns, warum wir so große Verspätung hätten. Wie sich dann herausstellte, hatte es überhaupt keinen Sturm gegeben, und der Flughafen war auch nicht geschlossen gewesen. Ich wüßte zu gerne, warum der Pilot kurz vor dem Ziel abdrehte, und wir für sieben Stunden auf einem Flughafen an der russischen Grenze herumstehen mußten.

Sicherheitsstandards: Unter Vielfliegern sind immer die Reihen an den Notausgängen besonders beliebt, wegen der größeren Beinfreiheit dort. Wegen der eventuellen Notfälle gibt es dort aber auch besondere Vorkehrungen: So darf dort kein Hangepäck unter den Sitzen liegen, auf amerikanischen Strecken dürfen diese Sitze nur an Passagiere vergeben werden, die perfekt englisch sprechen, damit sie im Notfall die Anweisungen für eine Evakuierung der Maschine auch verstehen. Bei der Lufthansa kann man bei diesen Sitzen vor dem Start die Rückenlehne nicht zurückneigen, damit nicht versehentlich der Notausgang zu eng wird. Erst nach dem Start kann eine Stewardess die Sperre lösen, und man kann dann dort bequem wie überall sitzen. Sie sehen, es gibt da etliche ganz penible Vorschriften.

Etwas anders ist dies bei der MIAT, der mongolischen Luftfahrtgesellschaft. Sie fliegt zweimal wöchentlich mit einem Boeing-Jet von Moskau nach Ulaanbaatar, und die Handgepäckfächer der letzten acht Reihen sind - schon bevor die Passagiere an Bord kommen - vollgepackt mit Alkohol aus den Moskauer Duty free shops. Also gibt es für etwa 20-30 Passagiere keinen Platz, um ihr Gepäck unterzubringen. Kein Problem: die Stewardessen stapeln dies einfach vor die Notausgänge, so daß dort beim Abflug etwa 40-50 Koffer, Taschen, Beutel und ähnliche Gepäckstücke gestapelt sind und einem mit einhundertprozentiger Sicherheit das Gefühl vermitteln, daß man vielleicht im Notfall irgendwo aus dem Flugzeug herauskommt, aber es an diesen Notausgängen auf keinen Fall versuchen sollte.

Das Lustigste kam noch: Wir konnten dann das Land nicht betreten, bzw. wir kamen mit vielleicht 100 Passagieren nicht durch die Einreisekontrolle, weil der dortige Beamte auf das Visum der einreisenden Ausländer immer einen Stempelabdruck machen muß. Dafur benötigt man natürlich einen Stempel, und den hatte er vergessen...

Wäre das bei uns vorstellbar, daß ein deutscher Beamte seinen Stempel vergißt?

Faszinierend: Im Hotel Bayandol, mit über 200 Zimmern das größte Hotel in der Mongolei, gab es zum Frühstück die in aller Welt in Hotels üblichen kleinen Plastikdosen mit Stanioldeckeln und Butter drin. Auf dem Deckel stand: Kleeblatt-Butter, Meggle D-8090 Wasserburg 2, und - gekühlt haltbar bis: siehe Boden. Da war dann eingestanzt 8.89: Ob das wohl die letzte Liebesgabe der DDR an das sozialistische Brudervolk der Mongolen gewesen war? Und welche Mengen müssen es gewesen sein, wenn man davon 1995 noch zum Frühstück serviert? Und was sagt wohl der - TÜV dazu (und der Magen), wenn man Butter bekommt mit einem Verfallsdatum von vor 6 Jahren. Frühstück für harte Männer.. ?

Besonders lustig sind auch die Sicherheitskontrollen auf dem internationalen Flughafen von Ulaanbaatar bei mongolischen Inlandsflügen: Man hat dort ein ganz modernes Heimann Kontrollgerät, das nicht nur ein schwarzweißes, sondern zusätzlich auch noch ein farbiges Momentbild auf dem Bildschirm zeigt, damit der Kontrolleur auch ganz sorgfältig arbeiten kann. Was er auch macht: die beiden Bilder werden immer sehr fasziniert kontrolliert. Nur - niemand kontrollliert den Fluggast. Es gibt keinen Rahmen durch den man gehen muß und der Metall anzeigt, und auch keine Körperkontrolle. Man legt einfach sein Handgepäck auf das Förderband des Gerätes, geht dann herum, und nimmt es wieder an sich. Wer also in der Mongolei mit fünf Handgranaten und zwei Pistolen fliegen will, darf sie auf keinen Fall in das Handgepäck geben, das fällt sofort auf, man muß solche Waffen in der Hosentasche, im Mantel oder im Hut befördern, dann hat man keinerlei Kontrollen zu befürchten.

Fliegen in einem postkommunistischen Staat mit Mongolian Airlines ist übrigends ganz einfach. 1. Version: Wir landen Montag in Ulaanbaator und fliegen am gleichen Tag weiter nach Altai. Zweite Version: Der Flugplan ist geändert und wir fliegen erst Donnerstag weiter. Dritte Version: Wir können schon am Dienstag weiterfliegen. Vierte Version: Wir fliegen nach dem allerneuesten Flugplan entweder am Dienstag oder am Mittwoch.

Wir flogen schließlich am Dienstag, um nach der Landung in Gobi/ Altai festzustellen, daß der Jeep nicht da war, der uns abholen sollte. Einen Ersatzwagen zu besorgen dauerte etwa einen Tag, so daß wir dort übernachten mußten.

Am nächsten Morgen um 8.00 Uhr sollte es losgehen, aber es gab keinen Strom, und daher konnten wir nicht tanken. Die Benzinpumpe arbeitete nicht. Um 11.30 ging es dann wirklich los auf die zehnstündige Fahrt durch die Wüste Gobi.

Es war ein kleiner, viersitziger russischer Jeep, der uns zu unserem Ziel im Altai-Gebirge bringen sollte, und - er hatte 3 1/2 Mann Personal: der Fahrer, seine Frau die hupte und kassierte, ein zweiter Fahrer, der den ersten Fahrer ablösen sollte, wenn dieser müde wurde, und die Tochter des ersten Fahrers, die Verwandte besuchen wollte. Dazu noch der Tierfotograf, eine Dolmetscherin, weil die Menschen hier oben in den Bergdörfern nur mongolisch sprechen, und mein Führer. Also sieben Leute in einem kleinen Viererjeep.

Die Wüste zeigte sich tagsüber als nicht sehr fotogen auf dieser langen Fahrt - unten nichts und oben viel Himmel. Erst am Abend gegen 21.00 Uhr, als die Sonne tiefer stand, bekam sie Leben, Form und Plastik.

Drei Flüsse mußten wir mit Allradantrieb durchqueren, und alle 2 Stunden gab es eine Wodkapause. Zuerst hatte ich die große Literflasche mit dem klaren Inhalt für Wasser gehalten und die vier Zentimeter über dem Boden abgeschnittene Pepsidose für einen Aschenbecher: Aber dies war das Wodkagemeinschaftsglas.

Meine mongolische Gastfamilie vor ihrer Jurte im Altai-Gebirge,
der Heimat der Schneeleoparden.

Wegweiser gibt es dort überhaupt nicht, und etliche Male hielten wir, und der Fahrer, der zweite Fahrer und mein Führer beratschlagten, welche der zwei oder drei plötzlich in verschiedene Richtungen gehende Fahrspuren wir denn wohl am besten nehmen sollten. Anscheinend lohnen sich Wegweiser nicht, denn in den ganzen zehn Stunden Fahrt kam uns nur ein einziger LKW entgegen.

Schließlich erreichten wir gegen 23.00 Uhr unser Etappenziel, die Jurte (Zelt) einer mongolischen Hirtenfamilie in den Bergen, wo wir übernachteten, und von wo es am nächsten Tag mit Pferden zu meinem Arbeitsplatz im Reich der Schneeleoparden weitergehen sollte.

Dort verbrachte ich die nächsten Wochen bei minus 30 Grad Celsius - nachts in einem Zelt, und tagsüber zu Fuß und zu Pferde, Schneeleoparden suchend. Aber das ist eine andere Geschichte... (Sie können sie lesen unter: Werkstattbuch - 'Der Schneeleopard - fast noch nie fotografiert').