Wie sind Sie
zur Naturfotografie gekommen?
Über mein Interesse an der Vogelwelt. Die ersten
zehn Jahre habe ich nur Vögel fotografiert, bevor ich entdeckte,
dass es auch Säugetiere, Pilze und Landschaften gibt. Am Anfang
habe ich meine Motive fast ausschließlich im Münsterland gesucht,
wo ich ja auch zu Hause bin. Hier gab es damals noch Ziegenmelker,
Braunkehlchen und Schwarzkehlchen, aber die sind inzwischen alle
verschwunden.
Meine erste Reise ins 'ferne' Ausland machte ich
so um 1960 auf die Shetland Inseln. Da wollte ich Eissturmvögel,
Papageitaucher und Basstölpel fotografieren.
Afrika stand erstmalig
1970 auf dem Programm, und damals arbeitete ich mit einer Rollei SL
66 mit dem Tele-Tessar 5,6/500 mm. Aber ich merkte schnell, dass die
auf 6x6-cm-Negativen fotografierten Bilder wohl technisch
hervorragend waren, dass das Mittelformat aber zu langsam war, um
die dramatischen Aktionen und Situationen in der Natur festzuhalten.
Eine der größten Hilfen war schließlich die Einführung des
Autofokus 1985..
Welche Fotografen sind Ihre Vorbilder?
Hermann Fischer-Warenholz, Eric Hosking und Walter Wissenbach.
Diese drei haben mich in meiner Jugend am meisten beeinflusst.
Was ist Ihre größte Motivation für die
Naturfotografie?
Dass ich draußen sein und fotografieren kann,
wann ich will, wo ich will und was ich will. Bei anderen Hobbys hat
man oft viele Nachteile: Wer Fußball spielen möchte, braucht 21
Mitspieler. Wer reiten will, muss ein Pferd haben und sich immer
darum kümmern. Eine Kamera kann man wochenlang in den Schrank
legen, ohne sie zu füttern und zu tränken.
Gegenüber Golfern oder
Segelyachtbesitzern brauchen wir Fotografen nur„Peanuts", um
unser Hobby zu finanzieren. Und: wir haben Bilder. Es ist nicht
vorbei, wenn man zurückkommt. Die Bilder bleiben und damit auch die
Erinnerungen an die Erlebnisse.Vor allem auch, weil sich in unserer
Umwelt so vieles so schnell ändert.
Was war Ihr
außergewöhnlichstes Erlebnis in der Naturfotografie?
Zwanzig Nächte in
einem kleinen Zweimannzelt in der Antarktis bei 20 bis 30 Grad
Celsius minus, permanent, 24 Stunden am Tag. Eigentlich sollten es
nur zehn Tage sein, aber unsere kleine Twin-Otter konnte nicht
starten, weil man in der Antarktis nur nach Sicht fliegen kann. Wir
blieben zehn weitere Tage am Boden bei der Kaiserpinguinkolonie und
wären noch länger geblieben, wenn nicht das Eis, auf dem das
Flugzeug stand, bedrohlich zu reißen begonnen hätte. Also sagte
der Pilot zu uns: Wir sehen zwar immer noch nicht genug, aber wenn
das Eis weiter aufreißt, haben wir keine Startbahn mehr, und die
Maschine wird irgendwann hier versinken.
Also flogen wir nach 20
Tagen ab und entdeckten nach drei Stunden Flug über der Wolkendecke
ein kleines Loch in dieser, durch das wir hindurchstoßen und
zwischenlanden konnten. Selbst am Boden war es noch so dunstig, dass
abwechselnd immer einer von uns mit der Fahne vor dem rollenden
Flugzeug her ging, um eventuelle Löcher oder Vertiefungen im Eis zu
entdecken. So rollten wir im Schritttempo fünfzehn Kilometer weit
über das Eis, bis hin zu unseren vorher dort stationierten
Benzinfässern. Das war das erste und das letzte Mal, das ich eine
so lange Strecke am Boden vor einem Flugzeug gehend zurückgelegt
habe.
Wo fotografieren Sie am
liebsten?
Nahaufnahmen
fotografiere ich am liebsten im Nationalpark Bayerischer Wald,
ebenso Tiere in Gefangenschaft. Die Gehegezone ist hier fantastisch,
weil man erstens gut fotografieren kann, ohne Zäune oder Drähte zu
sehen, und zweitens, weil es praktisch Tiere in ihrem natürlichen
Lebensraum sind. Normalerweise sind Tiere in Wildfreigehegen
meistens in einer gestalteten Landschaft gefangen. Hier leben die
Bären, Luchse und Wildkatzen genau in dem Umfeld, in dem sie auch
leben würden, wenn es hier keine Zäune und keine Menschen gäbe.
Landschaften
fotografiere ich am liebsten auf dem Colorado Plateau in Utah in
Arizona. Es ist eine grandiose, riesige Urlandschaft. Man kann im
Grand Starcaise Escalante National Monument in Utah von einer
Straße aus losgehen und einem Flusslauf folgen und braucht dann
fünf Tage, bis man auf die nächste Straße stößt.
Für Fotos von
freilebenden Tieren ist die Masai Mara in Kenia ideal. Die Masai
Mara ist als Landschaft nicht so schön und großräumig wie etwa
die Serengeti, aber man kann zehnmal so viele Aufnahmen machen. In
der Serengeti kann es einem passieren, das man den ganzen Tag
herumfährt, ohne etwas 'Vernünftiges' vor die Kamera zu bekommen.
Das gibt es in der Masai Mara nicht. Dafür sind dort zu viele Tiere
auf relativ kleinem Raum.
Im Winter
fotografiere ich am liebsten in Süd-Florida. Der Everglades
Nationalpark oder die Insel Sanibel sind von Deutschland aus
einfach, preiswert und relativ schnell zu erreichen. Mietwagen sind
billig, und Motive im allerbesten Licht gibt es dort massenhaft.
Wie finden Sie Ihre Themen?
Durch Anregungen im
Fernsehen, in Zeitschriften, Büchern und Ähnlichem. Oft entdeckt
man auch interessante Themen in den Vorträgen bei einem der vielen
Naturfoto-Festivals, die es in Deutschland jährlich gibt. Nicht zu
vergessen die Gespräche mit Kollegen, die einen auf interessante
Themen hinweisen.
Diese Offenheit und der völlig fehlende Neid
unter Naturfotografen, wo jeder bereitwillig dem anderen sagt, wo man
interessante Fotos machen kann, ist ja etwas, was die Kollegen so
liebenswert macht. Dass man interessante Plätze geheim hält und
hofft, dass kein anderer sie entdeckt und dort auch fotografieren
möchte, so etwas gibt es kaum unter Naturfotografen.
Wie bereiten Sie sich auf ein
Fotoprojekt vor?
Ich lese alles, was
ich über das Thema in die Finger bekommen kann. Das Internet ist
dabei eine große Hilfe. Man gibt die Begriffe des Gebietes oder
Begriffe von Dingen, die man dort anzutreffen hofft, bei einer
Suchmaschine wie Google ein, und bekommt dann oft eine riesige,
überwältigende Anzahl von wichtigen und wertvollen Informationen.
Außerdem frage ich Kollegen, die dort schon fotografiert haben, und
bekomme dann immer alle Auskünfte, die ich benötige und oft auch
noch wertvolle, zusätzliche Tipps.
Naturfotografie
wird häufig mit aufwändiger Fototechnik, teuren Teleobjektiven und
exklusiven Reisen in Verbindung gebracht. Was würden Sie einem
Einsteiger empfehlen?
Das hängt davon ab,
was er am liebsten fotografiert. Wenn es Nahaufnahmen sind, reicht
zum Kameragehäuse ein 2,8/100-mm-Makro-Objektiv,das kann auch ein
gebrauchtes sein. Mit diesem einen Objektiv kann man fast das ganze
Spektrum der Nahfotografie abdecken.
Wer
Landschaftsfotografie liebt, sollte mit einem
3,5-4,5/24-105-mm-Objektiv anfangen. Die sind spottbillig und
reichen für 90 Prozent der Aufnahmen. Das gilt für Dias und
digitale VoIIformatkameras. Wer mit Digitalkameras arbeitet,die einen
Halbformatsensor verwenden, braucht etwa ein 18-70-mm-Objektiv.
Wer
Tiere im Zoo fotografieren will, ist mit einem preiswerten
100-400-mm-Tele gut bedient, und wer freilebende Tiere fotografieren
möchte, sollte sich ein 4/500-mm mit 1,4-fach-Konverter kaufen. Die
gibt es gebraucht - ohne Autofokus - schon recht günstig. Für
digitales Halbformat reicht auch eine 400er-Brennweite.
Was kann Naturfotografie
bewegen?
Alles. Ohne
Naturfotografie wüssten die Menschen nicht einmal, wie es in der
Antarktis oder der Serengeti aussieht und was dort Iebt. Ohne
Naturfotografen gäbe es 'National Geographic' nicht und auch nicht
GEO.
Zeigt ein Naturfoto immer die
Wirklichkeit? Oder anders gefragt: Ist ein Naturfoto überhaupt „natürlich"?
Bilder sind nicht
Wirklichkeit. Bilder schaffen Wirklichkeit, falls es überhaupt die
Wirklichkeit gibt. Büffel, die nur sehr unscharf und verschwommen
sehen, haben eine andere Wirklichkeit als etwa Fledermäuse, die
sich mit Ultraschall in ihrer Umwelt orientieren.
Wir halten das für
die Wirklichkeit, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen
können. Alle anderen Wirklichkeiten existieren für uns nicht.
Die fotojournalistische
Naturfotografie zeigt uns einen ,allerdings eingefrorenen'
Ausschnitt der für uns sichtbaren Wirklichkeit.
Mit der
digitalen Bildbearbeitung sind zusätzliche Möglichkeiten der
Manipulation von Naturfotos entstanden. Wie kann die Naturfotografie
vor diesem Hintergrund ihre Glaubwürdigkeit bewahren?
Indem die
Naturfotografen und vor allem ihre Standesvertreter, wie etwa in
Deutschland die GDT oder Freelens, mehr auf die Bildredakteure der
Zeitschriften und Bildlektorate der Sachbuchverlage einwirken,
darauf zu achten, dass nur echte Naturfotos gebracht und Bilder von
zahmen Tieren, arrangierte Fotos oder in Photoshop kreierte
Fantasieprodukte ganz eindeutig gekennzeichnet werden.
Bildredakteure haben gegenüber ihren Lesern eine Verantwortung.
Wenn
man sieht, wie heute oft Tier- oder Naturbildbände in Zeitschriften
hochgejubelt werden, die vor lauter zusammendigitalisierten Bildern
die reinste Märchenstunde sind, scheinen sie dieser Verantwortung
oft nur sehr eingeschränkt nachzukommen.
Die
Naturfotografie steht bisweilen in der Kritik, die Welt zu schön
und nur in Ausschnitten zu zeigen - und damit angesichts der
Zerstörung von natürlichen Lebensräumen ein verzerrtes Bild zu
zeigen ...
Auch diese Frage oder
Kritik müsste mehr an die Bildredakteure und Leser gehen. Die
Naturfotografen fotografieren durchaus auch die nicht so
ästhetischen Seiten des natürlichen Lebens, aber solche Bilder
werden kaum veröffentlicht, weil es der Auflage schadet.
Ich
erinnere mich in diesem Zusammenhang besonders an ein Bild, das ich
vor 25 Jahren im Ngorongoro Krater in Tansania fotografierte. Zwei
Hyänen hatten ein Gnu am Magen aufgerissen und zerrten nun daran.
Eine Hyäne zog nach links, die andere nach rechts. Plötzlich riss
der prall gefüllte Magen in der Mitte auf, und der ganze
Mageninhalt spritzte nach allen Seiten hoch in die Luft. Das war ein
Superaktionsfoto von einem einmaligen Augenblick, ist aber in 25
Jahren nicht einmal veröffentlicht worden, weil kein Bildredakteur
den Lesern so etwas Natürliches zumuten wollte. Es war einfach zu
viel echte Natur, zu viel Realität.
Amerikanische
Bildredakteure verlangen zum Beispiel immer ganz tolle und
sensationelle Fotos aus der Natur, aber bitte ohne Blut und ohne
Sex, weil man das den Lesern nicht zeigen möchte.
Fotografieren Sie analog oder
digital?
Seit Januar 2004
fotografiere ich nur noch digital. Mir scheint, dass die
Diafotografie nur eine Episode war und bald so gut wie völlig
verschwunden sein wird. In fünf Jahren wird die Diafotografie den
Status haben, den heute die Schwarzweißfotografie hat.
Dias waren fast immer
Halbfertigprodukte, zumindest in der Naturfotografle. Der Ausschnitt
stimmte nicht ganz, die Farbe war mal zu kalt oder zu warm, je
nachdem, welchen Diafilm man verwendete.
Wo liegen für Sie die
besonderen Vor- oder auch Nachteile der analogen beziehungsweise
digitalen Fotografie?
Die Vorteile der
Diafotografie liegen darin, dass man wesentlich weniger Zeit und
wesentlich weniger Kenntnisse in der Technik benötigt. Wenn man Dias
macht, dann fotografiert man sein Motiv, lässt den Film entwickeln
und klebt anschließend lediglich ein kleines Etikett auf den
Diarahmen. Fertig ...
Wenn man digital
fotografiert, fängt nach der Aufnahme die Arbeit am Bild erst an.
Man muss es speichern, eine Kopie machen, es säubern, den Ausschnitt
festlegen, den Kontrast bearbeiten, die Farbe bearbeiten, es
schärfen, einen Datenanhang machen und wieder speichern. Das dauert
...
Zwei wesentliche Unterschiede
zwischen analoger und digitaler Bildaufzeichnung werden ja erst nach
dem Klick deutlich - nämlich bei Nachbearbeitung und Archivierung.
Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?
Meine Erfahrungen sind, dass alles viel mehr Zeit in Anspruch nimmt und auch viel mehr
Geld kostet, als man vorher denkt. Wer wenig Zeit und/oder wenig Geld
hat, sollte beim Diafilm bleiben. Ebenso, wer nicht gerne am PC
arbeitet. Es dauert sehr lange, bis man als Anfänger auch nur die
wichtigsten und unumgänglichsten Arbeitsschritte, auf Neudeutsch
Workflow, kapiert hat. Wer wirklich in dieTiefen der Möglichkeiten
von Photoshop einsteigen will, der muss mit einem riesigen
Zeitaufwand rechnen.
Welche
Entwicklungen sehen Sie für die Zukunft der Naturfotografie?
Die Gegenwart und die
Zukunft der Naturfotografie sind fantastisch. Wir hatten noch nie so
großartige Möglichkeiten. Man kann heute neue, analoge
Spiegelreflexkameras für 150,- Euro kaufen, und es gibt alle
Objektivbrennweiten und Lichtstärken, die das Herz begehrt. Alle
Ziele für Naturfotografen sind zu Spottpreisen erreichbar. Wenn ich
den Mitgliedern von Blende4.com in Schweden abends im Wirtshaus zwei
Runden Schnaps spendiere, kann ich für das gleiche Geld von
Frankfurt nach Florida fliegen und dort Reiher und Alligatoren
aufnehmen.
Wir haben mehr
Nationalparks als jemals zuvor - in Deutschland und in der ganzen
Welt. Das Niveau der Naturfotografie steigt dramatisch an. Immer
mehr Naturfotografen machen immer bessere Bilder.
Schlecht ist
allerdings für die Naturfotografen, die davon oder dafür haupt-
oder
nebenamtlich leben wollen, dass der kommerzielle Markt für
Naturfotografie praktisch fast zusammengebrochen ist. Vor zehn
Jahren gab es in Deutschland an Naturzeitschriften: Sielmanns
Tierwelt, Das Tier, Abenteuer Natur, BBC Wildlife deutsch, Kosmos,
Die Natur, Die Welt der Tiere und den Wildlife Observer. Sie sind
alle mehr oder weniger eingestellt worden, oder man hat aus drei
Zeitschriften eine gemacht. Es gibt also kaum noch einen Markt für
Tier- und Naturgeschichten. Anscheinend bekommen die Leute bereits
im Fernsehen so viele Natursendungen vorgesetzt, dass sie kein Geld
mehr ausgeben wollen, um Naturgeschichten zusätzlich auch noch zu
lesen.
Leider bricht auch
das zweite Standbein der Naturfotografen, die Bildagenturen, seit
etwa 1999, 2000 mehr und mehr weg. Viele kleine und mittlere
Bildagenturen haben den Betrieb eingestellt, Pleite gemacht oder
sind unter das Dach großer Agenturen geflüchtet. Große Agenturen
beziffern den Umsatz mit echten Naturaufnahmen heute auf unter fünf
Prozent vom Gesamtumsatz.
Das Interesse, Natur
zu fotografieren, ist riesengroß und wird auch sicher noch weiter
wachsen. Es wird also in Zukunft immer mehr und immer bessere
digitale Naturfotos geben, von immer mehr Naturfotografen - und
immer weniger, die davon gut leben können.