29.8.2004

Fritz Pölking 

Entdecke die Möglichkeiten...

Brauchen wir genmanipulierte und gedopte Naturfotografien?

Das echte Naturfoto ist ein Spiegelbild des Lebens -
das manipulierte ist seine Parodie

 

   Was mich immer schon gewundert hat ist, dass man von den Bildredakteuren zu diesem Thema eigentlich so gar nichts hört. Denn sie sind es doch letztlich, welche die Fotos ihren Lesern gegenüber zu verantworten haben, und sie müssen doch letztlich dafür gerade stehen, was sie den Lesern und Bildbetrachtern vorsetzen und ob es echt ist oder nicht.

   Ich kenne in der ganzen Welt nur eine einzige Zeitschrift ('Ranger Rick' in den USA), die vor einer Veröffentlichung eines Bildes dem Fotografen ein Merkblatt zuschickt auf dem er angeben muss, unter welchen Umständen das Bild entstanden ist, ob es Naturdokument, arrangiert oder manipuliert, am Computer bearbeitet oder verändert, ob es echt oder getürkt ist usw.

   Die WELT AM SONNTAG brachte vor drei bis vier Jahren jeden Sonntag eine halbseitige Tierstory mit einem großen Bild, und das war eine Zeitlang immer ein am Computer zusammengebautes Tierbild von Löwen, Eisbären, Pinguinen usw. Es sah  immer aus wie ein Foto und wurde in der Bildlegende auch als Foto deklariert, war aber keines. Als ich den zuständigen Bildredakteur daraufhin ansprach sagte er mir wörtlich: 'Es ist mir schei...egal, ob ein Foto echt ist oder nicht, oder ob es nur so aussieht wie ein Foto,  so lange das Bild nur gut aussieht. Vielleicht ist das ja auch eine Erklärung mit, warum man von Bildredakteuren nichts hört.

   Dabei hätten sie eigentlich allen Grund, den Fotografen besser auf die Finger zu passen, denn diese haben den Zeitschriften und den Redakteuren schon manche peinliche Situation beschert.

   Ich erinnere mich noch gut an eine große Story in GEO, die eine fantastische, 16-seitige Reportage über Pandas in Freiheit im wilden Himalaya zeigte, und wo Georg Schaller nachher die Redaktion freundlich darauf hinwies, das dies eine von vorne bis hinten getürkte Reportage sei. Alle Pandabilder waren in einem Gehege mit zahmen Tieren gemacht worden. GEO-Herausgeber Hermann Schreiber entschuldigte sich damals nachher ausführlich in einem Editorial dafür.

   Jetzt eben ist NATIONAL GEOGRAPHIC gleich zweimal ziemlich unschön von Naturfotografen hereingelegt worden: Ein Fotograf lieh sich von 'Local Wildlife Authorities' etliche uralte Elefantenstoßzähne, und ließ sie von schwarzen Jägern für ein Foto über die Schulter tragen als 'Zähne von einem eben tot im Busch gefundenen Elefanten'.

   Eine noch lustigere Geschichte die man NG andrehte, handelt von einem toten Eisvogel, der noch fliegen kann und dabei nicht Fische, sondern - sensationell - fliegende Insekten über der Wasseroberfläche erbeutet. Nur kam leider zum Nachteil des Fotografen heraus, dass dieser einen ausgestopften Eisvogel mit dünnen Fäden über der Wasseroberfläche befestig hatte, die er dann später in Photoshop entfernte, was ja ziemlich einfach ist. Irgendwie ist die Sache dann aber doch aufgeflogen. So ein Pech aber auch...

   Inzwischen gibt es von Canon ein Programm zu kaufen, mit dem Bildredakteure kontrollieren können, ob ein Datensatz echt ist oder nachträglich bearbeitet wurde, ob Pixel entfernt oder zugefügt wurden usw. Damit hätte man die Nylonfäden an denen der Eisvogel hing, in der Redaktion erkennen können. Dieses Programm wurde eigentlich entwickelt für Gutachter, Polizei und Gerichte, um kontrollieren zu können, ob digitale Fotos die als Beweismittel eingereicht wurden, auch wirklich echte, unmanipulierte Aufnahmen sind. 

  Ich frage mich auch, warum die Bildredakteure der seriösen Blätter nicht eine eindeutige Kennzeichnung von den Fotografen fordern, was sicher Manipulationen nicht ganz verhindern, aber doch erschweren würde.

   Auch finde ich es schade, das die - vielleicht 10.000 - organisierten Naturfotografen in Europa von ihren Vereinigungen hierbei so ziemlich alleine gelassen werden. Anscheinend tun sich die Länder-Gesellschaften ziemlich schwer damit, für ihre Mitglieder eine Kennzeichnungsempfehlung zu entwickeln, was diese als Naturaufnahme anbieten sollen, können oder dürfen, und ab wann sie die Bilder als arrangiert oder manipuliert kennzeichnen sollten.

   Das wäre doch eine wunderschöne Aufgabe für die IFWP (Der Dachorganisation der meisten europäischen Naturfotografen-Gesellschaften von Finnland bis Spanien, und von Frankreich über Holland  bis nach Polen). Denn es wäre sicher besser, wenn es eine Empfehlung für ganz Europa gibt, als wenn jedes einzelne Land sich eine eigene 'ausschwitzt'. Das wäre sicher eine große Hilfe für die meisten - zumindest für die ehrlichen - wenn man ihnen eine Richtlinie an die Hand gibt, was sie ohne Kennzeichnung (Polfilter, Splitfilter, Äste entfernen? Futterplätze?) machen können, und wo die Grenze gezogen wird zwischen Naturfoto und arrangiertem (Kunst)-Naturfoto. 

  Man denke nur an die ganzen - meiner Meinung nach 80 - 99 % aller - arrangierten Fotos von Fröschen und Schlangen, und die beliebten Nahaufnahmen von Pilzen etc., wo der Pilz, sowie der Vorder- und Hintergrund gesäubert werden, wo man noch einen dritten Pilz dazupflanzt und anschließend noch ein schönes Moospolster als Hintergrund baut usw. usw.

  Ob man Polfilter, Splitfilter nimmt oder Ausschnitte macht mit dem Zoomobjektiv, oder später in Photoshop Kontrast, Farbe und Schärfe verbessert ist für mich persönlich nebensächlich. Für mich persönlich liegt der Knackpunkt zwischen Naturfoto und arrangiertem Bild da, ob man das eigentliche Motiv unangetastet läßt, also ob sich der Bildbetrachter darauf verlassen kann, das die Situation in Wirklichkeit so war wie auf dem Bild zu sehen, oder ob eben angegeben wird, ob es ein arrangiertes Bild ist, oder eine Szene mit zahmen Tieren oder welchen in Gefangenschaft.

  Ob man jetzt dabei etwa Fotos an Futterplätzen, wie Meisen an der Winterfütterung, Bussarde am toten Hasen usw. unter Naturfotos oder unter arrangierte Bilder einstuft, ist eigentlich nicht der Punkt. Wichtig ist, dass es eine Regelung gibt, an die sich die Naturfotografen halten können und die eine gewisse Verbindlichkeit hat und auf die sich die Mitglieder (und auch die Nichtmitglieder) von Naturfotografen-Vereinigungen berufen können. Denn jetzt so ohne irgendetwas, schweben alle quasi im luftleeren Raum, und jeder muss für sich selber entscheiden, wie er welches Bild bezeichnet und einordnet.

   Da aber Naturfotografen-Gesellschaften ja nicht zuletzt - oder vielleicht zuallererst - gegründet worden sind, den Naturfotografen zu helfen, scheint es mir - vor allen jetzt wo mehr und mehr Naturfotografen in das Land Digitalien übersiedeln - ganz wichtig zu sein, dass sie dabei Hilfestellung bekommen von ihren Gesellschaften, und nicht mit diesem Problem alleine gelassen werden. 

   Was mich immer sehr erheitert und fröhlich macht ist, wenn ich in deutschen Zeitschriften und Wandkalendern - und sehr oft in nordamerikanischen Wochenkalendern - Herbstbilder von Bächen und steinigen Ufern sehe.

   Da ist also dieser natürlich Bach mit Bäumen und Blättern, und man sieht es dem Bild hundertprozentig an, wie fleißig der Fotograf war, bevor er dieses Bild aufnahm.

   Zuerst hat er auf 50 m Bachverlauf alle Zweige und Äste entfernt die im Bach lagen und sein ästhetisches Empfinden störten, dann hat er im Umkreis von 100 Metern alle schönen gelben, roten und grünen Blätter zusammengesucht und kunstvoll am Ufer drapiert, aber meistens so 'auffällig' auf die Steine in der Nähe des Weitwinkelobjektives arrangiert, das jeder merkt, dass dies kein echtes Naturfoto ist. 

   Wenn er jetzt endlich alles gesäubert und arrangiert hat, macht er sein Foto. Warum? Wozu? Eigentlich ist er doch gekommen um die Natur zu fotografieren und zu zeigen, wie die Natur aussieht.  

   Das was er da angerichtet hat, ist aber nicht mehr Natur, sondern ein arrangiertes Bild unter Zuhilfenahme von natürlichen Gegenständen.. Also warum fotografiert er nicht die reale Natur, sondern zerstört sie erst und macht dann ein Bild von seiner Substitut-Natur? 

   Unter dem Bild müsste jetzt eigentlich stehen: Photo (arrangiert). Hans Munstermann. Macht der Fotograf aber nicht. Er lässt den Betrachter im Glauben, so hätte es in der Wirklichkeit ausgesehen. 

   Die  Erwartungshaltung des Bildbetrachters ist, das ein Foto zeigt, wie es wirklich war. Und alles was dieser Erwartungshaltung nicht entspricht, sollte gekennzeichnet werden. Das ist eigentlich im menschlichen Zusammenleben Standard und wird auch in der Regel eingehalten: Butter/Margarine, Sekt/Schaumwein, Marzipan/Persipan, Sachbuch/Roman, Live/Aufzeichnung, usw. 

   In der Fotografie tun wir uns aber sehr schwer damit, Bilder zu kennzeichnen, weil eben viele meinen, wenn sie ehrlich sind, veröffentlichen sie weniger. Oder wenn die Leute erkennen, das der Fotograf das Bild ja arrangiert hat, und es nicht die Wirklichkeit wiedergibt, sondern 'nur' etwas durch den Fotografen 'zusammengebasteltes', die Leute das Bild wesentlich niedriger bewerten (zu Recht?, zu Unrecht?), und dadurch das Ansehen und die Reputation dieses Fotografen in den Augen der Bildbetrachter dramatisch sinkt.

   

   Man kann Bilder ebenso gut vor der Aufnahme arrangieren, manipulieren oder fälschen, wie nachher in Photoshop. 


Hier als Beispiel einige Bilder von

Attrappen der Wirklichkeit,

entweder vor der Aufnahme oder nach der Aufnahme hergestellt:

 

 

Hier links haben wir das echte Foto von einem Tornado, das im Jahre 2001
im Juni in Louisiana  gemacht wurde.
Das zweite Bild zeigt einen Dreifachtornado und wurde - ein Jahr später - in
Zusammenhang mit dem Hurricane Lilli 2002 in den Medien herumgeboten.
Erstens zeigte es nicht den Tornado Lilli und war schon ein Jahr alt,
zweitens war es überhaupt kein Dreifachtornado sondern ein am
Computer kreierter,  drittens wurden die drei Windhosen  kräftig verstärkt,
aber sonst stimmte ja alles...

   

 

Hier haben wir eine menschlich 
ganz traurige Geschichte:

Ein Fotograf der LOS ANGELES TIMES machte die beiden oberen Bilder in Basra im Süden des Iraks.
Er machte dann aus beiden Fotos eines, indem er aus dem linken Bild den Soldaten nahm mit der
ausgestreckten Hand, und aus dem rechten Bild den Mann mit dem Kind auf dem Arm.
Aufmerksame Leser der Zeitung entdeckten am 31. März 2003 in der Zeitung die Montage (Wenn Sie
genau hinsehen entdecken Sie, dass unten links Personen zweimal abgebildet sind).
Der Direktor für Fotografie der Zeitung entschuldigte sich bei den Lesern für
diese Fotomontage und - der seit 1998 fest angestellte Fotograf
wurde fristlos entlassen. Wäre er ehrlich geblieben und hätte
'Fotomontage' unter das Bild gesetzt, würde er seine Stelle
heute noch haben..

Hier noch zwei brandneue Beispiele aus diesem Jahr,
wie schön man auch ohne Photoshop
manipulieren und arrangieren kann:

      

Links das Naturfoto im Upper Antelope Canyon in Utah,
und rechts die Naturbild-Attrappe, nachdem jemand
Sand in die Luft geworfen hat.
Im Sommer ist man mit mindestens 50 Leuten zusammen
in diesem Canyon, und man hat große Mühe ein
echtes Naturfoto zu machen, weil von allen Seiten
Hände voll Sand geworfen werden,
um 'bessere' Fotos zu bekommen.

 

          

So wie im linken Foto sieht es am Eingang zur Wave in Arizona wirklich aus.
Kollegen haben dort freundlicherweise ein kleines Lager an Zweigen und Ästen angelegt,
damit man das Motiv leichter 'verbessern' kann,
und nicht erst lange suchen muss...



Ist das Naturfotografie?
Oder Theaterfotografie mit
natürlichen Kulissen?


Naturfotografie heißt doch eigentlich: 
'Das Spektakel der Wirklichkeit und die Faszination des Augenblickes einzufangen'. 
Wenn man nun Motive vor der Aufnahme mit Diafilm arrangiert oder nachher digital mit Photoshop manipuliert, dann beraubt man sich doch selber der größten Wirkung, die Naturfotografie haben kann, und das ist nicht nur sehr schade, sondern man bringt sich doch letztlich selber um die Freude an der Naturfotografie, um deretwillen man sie ja - eigentlich - betreibt. Arrangieren als 'Schuß in das eigene Knie'?

Das echte Naturfoto ist ein Spiegelbild des Lebens -
das manipulierte ist seine Parodie

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