Fritz Pölking

Scharfe Fotos

- Gedanken zur Vorbereitung von Naturaufnahmen, und zu den
heutigen Möglichkeiten der Technik -

Naturfotografen leben zwar in einer eigenen Welt, aber nicht in einem luftleeren Raum. Auch unsere Arbeit wird beeinflußt von Strömungen, Zeitgeist und einer sich schnell - unheimlich schnell - verändernden Welt, in unserem Falle der Medienwelt.

Es gibt zur Zeit eine Umwälzung in der Presselandschaft, die auch uns sehr berührt: Die Natur, Sielmanns Tierwelt, Die Welt der Tiere, Abenteuer Natur, BBC-Wildlife (deutsch), Kosmos, Wildlife-Observer, Das Tier - praktisch alle 'neutralen' Tierzeitschriften sind in den letzen Jahren in Deutschland eingestellt worden und vom Markt verschwunden.. Nur die 'Naturnutzer-Zeitschriften', wie etwa Jagd-, Angler-, Katzen/Hunde- oder Reisezeitschriften haben stabile Auflagen. Anscheinend gibt es immer weniger Menschen die bereit sind, 10,- DM jeden Monat für eine altruistische Tier- und Naturzeitschrift am Kiosk oder im Abo auszugeben, also für ein Blatt, das zwar spannend und faszinierend über die Tierwelt berichtet, aber keinen direkten Nutzeffekt für den Käufer hat.

Nach dem großen Sterben in Deutschland wird eben in Japan SINRA - das große japanische Naturmagazin - eingestellt, und in Frankreich versucht TERRA SAVAGE um zu überleben, ein Konzept 'Mensch und Tier' zu bringen. Selbst in den großen USA mit 250.000 Millionen Einwohnern gibt es keine Publikumszeitschrift über Tiere (wohl über hundert Computerzeitschriften). NATIONAL WILDLIFE ist die einzige Zeitschrift die dem nahe kommt, was wir gerne hätten, aber die ist ein - dünnes - Organ einer Gesellschaft und auch kaum an Kiosken zu finden. Anscheinend wird der - unspezifische - Bedarf des Publikums an Informationen und Berichten über Wildtiere und freie Natur heute zufriedenstellend durch die vielen Sendungen im Fernsehen gedeckt.

Wir müssen uns also kurz- oder mittelfristig andere Märkte suchen um zu veröffentlichen, denn unsere alten verschwinden anscheinend mehr und mehr. Dort treten wir aber mit unseren Tierfotos in Konkurrenz zu Modefotografie und Werbefotografie mit ihren agressiven Sehweisen, an die sich das Publikum gewöhnt hat. Ebenso konkurrieren wir dort mit digitalen Bildern, Computeranimationen, und die durch MTV, VIVA und Co. sich rasant verändernden Sehgewohnheiten, die auch an der Naturfotografie nicht spurlos vorüber gehen werden, wenn wir andere Märkte öffnen wollen, oder auf diese ausweichen müssen, weil unsere alten und gewohnten mehr und mehr wegbrechen.

Man kann also heute nicht mehr so schlicht fotografieren wie zu Hermann Fischers Zeiten. Der Bildermarkt verlangt packende Naturfotos, emotional, überraschend in Auffassung und Ausdruck, mitreißend, modern gestaltet und dem Zeitgefühl entsprechend.

Das treibt uns mehr und mehr dazu, die Grenzen unserer handwerklichen Möglichkeiten auszuloten und sich an sie heranzutasten.

Einen Hasen im hellen Sonnenschein abzuknipsen ist nicht schwer, das kann die Kamera mit AF und Belichtungsprogramm P zur Not sogar alleine.

Aber das sind Bilder, die niemand mehr sehen will, die kann man höchstens noch bei Jagdzeitungen unterbringen.

Wer heute Erfolg haben möchte, muß schon etwas anders fotografieren. Als Amateur ohne Ambitionen kann man sich dazu auf den Standpunkt stellen: Ich fotografiere was mir Spaß macht und wie es mir Spaß macht und damit basta. Richtig.

Wer allerdings hauptamtlich, nebenamtlich oder steckenpferdreitend veröffentlichen will, der muß sich schon etwas umsehen, was heute verlangt wird.

Die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Die Menschen sind durch Spitzenfotos verwöhnt. Schlicht und langweilig ist nicht gefragt. Die Menschen wollen starke und emotionale optische Reize. Dem müssen wir Rechnung tragen, in dem wir mehr in den Grenzbereichen arbeiten: der Farben, des Lichtes, der Bewegungen, der Brennweiten. Auch in dem wir vieles mixen - etwa Bewegung im letzten Tageslicht plus Aufhellblitz auf den zweiten Verschlußvorhang und die Kamera dabei mitgezogen.

Oder auf der anderen Seite letzte Schärfe, wo es eigentlich nicht mehr möglich ist. Wir müssen uns heute in diese Grenzbereiche der naturfotografischen Möglichkeiten vortasten, wenn wir nicht untergehen wollen, und in Zukunft nichts sind als eine skurrile Randgruppe, die langweilige Fotos ausschließlich für Naturnutzerblätter macht.

Dazu müssen wir aber wissen, was technisch möglich ist, und unser Handwerkszeug perfekt beherrschen: die Spiegelvorauslösung, den Blitz auf den zweiten Vorhang, das Mitziehen der Kamera. Belichten unter extremen Bedingungen, wenn die Matrixmessung schon lange versagt. Oder auch die Langzeitbelichtung mit zwei hintereinander gesteckten Konvertern beherrschen.

Das alles kann man durch Übung und durch Tests unter Kontrolle bringen. Wenn der Moment der Aufnahme kommt, sollte man die Grenzen seiner Arbeitsgeräte kennen und diese beherrschen, und nicht auf gut Glück abdrücken und hoffen, es wird schon irgendwie gut gehen... wird es nicht.

Ein Beispiel: (Fast) jeder kennt das Luchsgehege im Nationalpark Bayerischer Wald. Diese Luchse werden jeden Morgen so zwischen 7.30 und 8.oo Uhr gefüttert. Eine Stunde vorher warten sie schon auf den Wagen mit ihrem Futter. Dabei sitzen sie manchmal gegenüber, etwa 5o Meter entfernt am Waldrand unter hohen und dichten Bäumen auf großen Felsbrocken. Es ist dort - besonders so früh am Morgen - sehr, sehr dunkel. Außerdem muß man für bestimmte Bildaussagen mit einem 1,4x oder sogar 2x Konverter arbeiten, um die große Entfernung zu überbrücken.

Auf der anderen Seite aber auch ein Motiv, welches das Wesen und das Sinnbild des Luchses perfekt wiedergibt, denn der Luchs ist ja eine scheue und fast unsichtbare Waldkatze. Wenn man sie formatfüllend und im Sonnenschein fotografiert, wird man ihr in keiner Weise gerecht.

Um nun nicht auf gut Glück dieses Motiv zu fotografieren, und vielleicht in den Sand zu setzen, weil ich die belichtungsmäßigen Grenzen meiner neuen Ausrüstung nicht kannte, machte ich vorher zu Hause einen Test, mit welchen Belichtungszeiten ich mit welchen Brennweiten im Hoch- und im Querformat unter extrem diffizilen Bedingungen noch arbeiten konnte.

Oberes Bild: 500 mm mit 1,4 x Konverter, Spiegelvorauslösung, 1/6 sek.
Unteres Bild: 500 mm mit 2.0 x Konverter, Spiegelvorauslösung, 1/3 sek.

Hier die Daten, die zusätzlich zum eigentlichen Zweck noch einige interessante, überraschende und vielleicht sogar bisher unbekannte Ergebnisse und Erkenntnisse brachten:

EOS-1 V mit Objektiv 4.0/500 mm und Konverter 1.4x und 2.0x,

auf Gitzo Carbonstativ Nr. G-1349 mit Kirk Kugelkopf BH-2.

Tabelle 1: 4.0/500 mm, Querformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit
Stabilisator
ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator.
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. superscharf superscharf superscharf superscharf superscharf superscharf
1/60 sek. superscharf superscharf superscharf superscharf superscharf superscharf
1/30 sek. scharf scharf superscharf superscharf superscharf superscharf
1/15 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf superscharf
1/8 sek. unscharf unscharf scharf scharf superscharf scharf
1/4 sek. unscharf unscharf unscharf unscharf scharf unscharf

Zur Tabelle 1:
Im Querformat mit 500 mm zu arbeiten ist noch relativ harmlos. Bis zur 1/15 sek. kann man unbesorgt gehen. Aber hier auf dieser Tabelle ist schon zu sehen, wie mit Stabilisator oder mit Spiegelvorauslösung die qualitativen Möglichkeiten wachsen.

 

Tabelle 2: 4.0/500 mm, Hochformat

  ohne
Stabilisator
ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. unscharf scharf scharf superscharf superscharf superscharf
1/60 sek. s.-unscharf unscharf scharf scharf superscharf superscharf
1/30 sek. s.-unscharf s.-unscharf scharf unscharf superscharf superscharf
1/15 sek. s.-unscharf s.-unscharf scharf unscharf superscharf scharf
1/8 sek. s.-unscharf s.-unscharf scharf unscharf scharf unscharf
1/4 sek. s.-unscharf s.-unscharf scharf unscharf scharf unscharf

Zur Tabelle 2:
Jetzt im Hochformat wird es schon bei 500 mm dramatisch. Wer hätte gedacht, daß man mit 'normalen' Objektiven schon bei 1/125 sek. an der Grenze der Möglichkeiten angekommen ist. Das die Dias sogar mit Kabelauslösung bei 1/60 sek. schon super-unscharf werden.

 

Tabelle 3: 5.6/700 mm, Querformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/60 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/30 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/15 sek. unscharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/8 sek. unscharf unscharf scharf scharf scharf unscharf
1/4 sek. unscharf unscharf scharf scharf scharf unscharf

Zu Tabelle 3:
Es ist sehr interessant, 500 mm und 700 mm bei Querformataufnahmen zu vergleichen. Während bei 500 mm fast noch alles scharf oder superscharf wird, schränkt man durch einen 1,4x Konverter seine qualitativen Möglichkeiten schon drastisch ein. Erst mit Spiegelvorauslösung bekommt man superscharfe Bilder.

Tabelle 4: 5.6/700 mm, Hochformat

  ohne
Stabilisator
ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. unscharf scharf scharf scharf superscharf superscharf
1/60 sek. unscharf unscharf unscharf unscharf superscharf superscharf
1/30 sek. s.-unscharf unscharf s.-unscharf unscharf scharf scharf
1/15 sek. s.-unscharf unscharf s.-unscharf unscharf scharf scharf
1/8 sek. s.-unscharf unscharf s.-unscharf unscharf scharf unscharf
1/4 sek. s.-unscharf unscharf s.-unscharf unscharf scharf unscharf

Zur Tabelle 4:
Hochformat mit 700 mm ist praktisch nur möglich mit normalen Objektiven, wenn man nicht unter 1/250 sek. geht.

 

Tabelle 5: 8.0/1000 mm, Querformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. scharf scharf superscharf superscharf superscharf scharf
1/60 sek. scharf scharf supercharf superscharf superscharf scharf
1/30 sek. scharf scharf superscharf scharf superscharf scharf
1/15 sek. unscharf scharf superscharf scharf superscharf scharf
1/8 sek. unscharf unscharf scharf unscharf superscharf scharf
1/4 sek. unscharf unscharf scharf unscharf superscharf unscharf

Zur Tabelle 5:
Diese Tabelle hat mich am meisten fasziniert: Sie ist eigentlich nicht möglich. Wie können die Bilder mit 1.000 mm schärfer werden als mit 700 mm? Meine Erklärung ist der Stabilisator. Manchmal hört man ihn kaum, manchmal leise, aber bei 1.000 mm hört man in richtig arbeiten: er röhrt und grummelt im Objektiv, daß es eine wahre Freude ist. Wahrscheinlich bewirkt der größere Aktivismus des Stabilisators bei einer an sich 'wackligeren' Einheit diese bessere Bildschärfe.

Tabelle 6: 8.0/1000 mm, Hochformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/60 sek. unscharf scharf unscharf scharf superscharf scharf
1/30 sek. s.-unscharf unscharf unscharf scharf scharf unscharf
1/15 sek. s.-unscharf unscharf unscharf unscharf scharf unscharf
1/8 sek. s.-unscharf s.-unscharf unscharf unscharf scharf unscharf
1/4 sek. s.-unscharf s.-unscharf unscharf unscharf scharf s.-unscharf

Zur Tabelle 6:
Auch hier ist wieder der erstaunliche - und von mir in dieser Größenordnung - nicht erwartete Unterschied in der Bildschärfe zwischen Quer- und Hochformataufnahmen ganz deutlich erkennbar. Schlichte Erkenntnis: Um mit 1.000 mm scharfe Aufnahmen zu machen mit 1/30 sek., braucht man einen Stabilisator der zweiten Generation (der auch vom Stativ aus arbeitet), und für superscharfe mit 1/60 sek. eine Spiegelvorauslösung.

Tabelle 7: 11.o/1400 mm, Querformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/60 sek. scharf scharf scharf scharf superscharf scharf
1/30 sek. unscharf scharf unscharf scharf scharf unscharf
1/15 sek. s.-unscharf unscharf unscharf scharf unscharf unscharf
1/8 sek. s.-unscharf unscharf s.-unscharf unscharf unscharf unscharf
1/4 sek. s.-unscharf s.-unscharf s.-unscharf unscharf unscharf unscharf

Zur Tabelle 7:
Erfreulich, daß man auch mit 1.400 mm, also mit zwei hintereinander geschalteten Konvertern, noch superscharfe Fotos machen kann.

Tabelle 8: 11.o/1400 mm, Hochformat

  ohne Stabilisator ohne Stabilisator mit Stabilisator mit Stabilisator ohne
Stabilisator
ohne
Stabilisator
  ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. ohne Spiegelv. mit Spiegelvor. mit Spiegelv.
  Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös. Kabelauslöser Handauslös.
1/125 sek. scharf scharf scharf scharf scharf scharf
1/60 sek. unscharf scharf scharf scharf scharf scharf
1/30 sek. s.-unscharf unscharf unscharf scharf unscharf scharf
1/15 sek. s.-unscharf s.-unscharf unscharf unrscharf unscharf scharf
1/8 sek. s.-unscharf s.-unscharf unscharf unscharf s.-unscharf unscharf
1/4 sek. s.-unscharf s.-unscharf unscharf unscharf s.-unscharf s.-unscharf

Zur Tabelle 8:
Im Hochformat sieht es erwartungsgemäß natürlich etwas böse aus: Mit 1/250 sek. oder 1/500 sek. würde man hier vielleicht noch superscharfe Bilder bekommen. Helfen würde sicher auch ein zweites Stativ, wenn kurze Verschlußzeiten wegen der Lichtverhältnisse nicht zu erzielen sind, und man keine hochempfindlichen Filme einsetzen will.

Allgemeines:

Zuerst einmal muß man sagen, daß die Ergebnisse nur für meine Ausrüstung und meine Arbeitsbedingungen gelten. Man kann sie nur als Anhaltspunkt nehmen, muß sie aber für jede andere Ausrüstung und Situation neu testen, weil die Ergebnisse abhängig sind von Stativ und Kugelkopf, von der Auszugshöhe, vom Untergrund (auf Beton wird es andere Ergebnisse geben als auf einem Moospolster oder einer Wiese). Interessant wäre auch wie Stabilisatoren vom Auto aus arbeiten, früh am Morgen mit 1/8 und 1/15, wenn man durch die Landschaft fährt um Rehe oder Hasen im Morgennebel zu fotografieren, vielleicht sogar in leichtem Wind, der das Auto sachte schwingen läßt. Außerdem sind die Ergebnisse abhängig vom Objektiv, von der Stativschelle (je nach dem wo sie sitzt und ob sie lang oder kurz ist), wie schwer die Kamera ist, ob es Wind gibt oder nicht, und ob man mit Sonnenblende fotografiert in der sich der Wind fängt, oder ohne usw. usw.

Ich habe den obigen Test zweimal gemacht um Zufälligkeiten auszuschließen. Aber es wäre doch schön, wenn unsere beiden großen Fotozeitschriften FOTO MAGAZIN und COLOR FOTO - mit ihren viel besseren Möglichkeiten - einmal solche praxisgerechten Tests durchführen würden. Denn eigentlich ist es ja nicht Sache von uns Naturfotografen, so etwas zu machen.

Bei den Tests der Fotozeitschriften habe ich bisher aber immer das Gefühl, die werden so gemacht, wie Redakteure und Techniker sie gerne haben, aber nicht so, daß sie sinnvoll für Fotografen sind. Vor drei/vier Monaten laß ich etwa einen großen Vergleichstest zur Nikon F5 und Canon EOS-1. Da wurde zum Beispiel getestet, ob die 1/8ooo sek. stabil ist oder wackelt. Sehr wichtig - ich habe noch nie einen Fotografen getroffen, der je in seinem ganzen Leben die 1/8000 sek. benutzt hat. Warum testet und vergleicht man nicht Dinge, die in der Praxis wichtig sind: Zum Beispiel ob das Sucherbild hell oder dunkel ist, ob man den Motor abnehmen kann oder ob er fest verbunden ist, und was in der Praxis besser ist. Oder wie die Spiegelvorauslösung arbeitet: Manuell oder über ein Softwareprogramm, und was hat welche Vor- oder Nachteile? Oder habe ich eine schnelle Eingriffsmöglichkeit etwa in die Zeitautomatik, um die Belichtung kurzfristig ändern zu können? Und wie arbeitet die in der Praxis? Von alle dem hat man in dem oben erwähnten Test nichts gelesen.

Es wäre schön, wenn solche Tests sich weniger daran orientieren, was die Techniker gerne testen möchten und was ihnen und den Redakteuren Spaß macht, sondern man sich fragt, was die Fotografen getestet haben möchten und was denen Spaß macht.

Kabelauslöser oder Hand

Eine sehr interessante Erkenntnis war, daß Querformataufnahmen oft schärfer wurden, wenn man einen elektrischen Kabelauslöser benutzt (vor allem bei der Spiegelvorauslösung), Hochformataufnahmen aber, wenn man mit dem Finger den Auslöser niederdrückt. Die Erklärung: Bei Querformataufnahmen geht die Bewegungsenergie von Verschluß und Spiegel nach unten in das Objektiv und in Kugelkopf und Stativ. Bei Hochformataufnahmen wird sie aber zur Seite gelenkt, und da hilft die Hand welche die Kamera festhält, einen Teil der Bewegungsenergie zu vernichten, bevor sie in Bewegung übergeht.

Leichte oder schwere Kugelköpfe?


Ich machte diesen Test mit dem Kirk Kugelkopf von 1.000 Gramm Gewicht, und mit dem Graf Kugelkopf mit 1.700 Gramm Gewicht. Die Ergebnisse mit dem schweren Kopf waren keineswegs besser, was man ja eigentlich hätte erwarten dürfen, sondern oft sogar leicht oder deutlich schlechter. Erklärung: Der schwere Kugelkopf ist starrer und nimmt die Bewegungsenergie von Spiegel und Verschluß nicht auf, sondern die muß in der Kamera 'vernichtet' werden, was zu Erschütterungen in der Kamera führt. Der leichte Kugelkopf ist 'biegsam wie eine Pappel', nimmt die Erschütterungen der Kamera auf, absorbiert sie und leitet sie weiter in das Stativ. Dadurch bleiben sie nicht in der Kamera und verursachen daher auch weniger Bewegungsunschärfen auf dem Dia.

Stabilisator


Mit 1/30 sek. bei 8.0/1000 mm mit Stabilisator, aber (leider)
ohne Spiegelvorauslösung, weil beides zusammen
aus unbekannten Gründen nicht geht.

Ein echter Gewinn:Je nach Einsatz bringt er 1-3 Blendenstufen Schärfegewinn. Im besten Fall wird 1/30 sek. mit so scharf wie 1/250 sek. ohne. Je länger die Brennweite, je deutlicher ist der Unterschied zu sehen. Bei 1.000 mm im Querformat und mit Kabel ausgelöst liegt die Schärfegrenze ohne Stabilisator bei 1/30 sek. und mit bei 1/4 sek. Das sind satte 3 Blendenstufen.

Man kann diesen Schärfegewinn nun auf verschiedene Weise strategisch in der Naturfotografie einsetzen:

1. in dem man einfach immer den Stabilisator einsetzt und sich über die gewonnene zusätzliche Bildschärfe freut und als Sicherheitsreserve betrachtet.

2. in dem man jetzt die gewonnenen 2-3 Stufen in zusätzliche Tiefenschärfe investiert. Also statt - wie bisher meistens - auf Zeitautomatik und offener Blende 4.0 bei langen Brennweiten zu arbeiten, und dann in der Regel auf 1/250 sek. oder 1/500 sek. Belichtungszeit zu kommen, jetzt einfach auf Blende 8.o geht, um die gleiche Bildschärfe mit den längeren Zeiten zu haben wie vorher mit den kurzen, aber mit mehr Tiefenschärfe, was sicher oft der Bildkomposition dient. Vorausgesetzt, es sind keine Aktionsfotos.

Zumindest kann man jetzt sehr häufig (oder fast immer) mit Blende 5,6 arbeiten statt mit Blende 4.o. Denn eine Stufe abblenden verbessert ja bekanntlich die optische Leistung aller Teleobjektive, und verhindert zusätzlich eine Abdunklung der Bildecken, die bei allen langen Brennweiten bei offener Blende auftritt.

Diesen Effekt kann man am besten bei hellen Motiven erkennen, etwa bei Flugaufnahmen von Fischadlern in Florida bei blauem Himmel, bei Sandstrandmotiven oder Eisbären in Churchill. Egal ob man Objektive von Nikon, Canon oder Leica benutzt, bei offener Blende haben sie alle Abdunklungen zum Bildrand hin. Diesen unerwünschten Effekt kann man jetzt dank Stabilisator leicht immer dann verhindern, wenn man nicht die größtmögliche Öffnung benötigt, um Bewegungen einzufrieren.

3. in dem man eben jetzt ganz früh (Birkhahnbalz) oder ganz spät etwa 2-3 Verschlußgeschwindigkeiten eher oder länger fotografieren kann, bevor die Bilder durch Spiegelschlag und/oder verreißen unscharf werden.

Dr. Seltsam, oder wie ich lernte mit dem Stabilisator zu leben und ihn zu lieben: Der Stabilisator arbeitet nicht mit der Spiegelvorauslösung zusammen!!!! Die Spiegelvorauslösung wird bei der Canon EOS-1 und EOS-3 über die Sonderfunktion 12 geschaltet. In Stellung 12-0 ist die Spiegelvorauslösung ausgeschaltet und der Stabilisator arbeitet. Wenn man jetzt die Spiegelvorauslösung einschaltet in
Funktion 12-1, geht der Stabilisator sofort aus. Das hat Jürgen Borris entdeckt und nicht einmal Canon
in Willich wusste davon.
Warum dies so ist und worin der Vorteil für den Fotografen liegen soll, wenn er mit Spiegelvorauslösung
nicht in den Genuß des zusätzlichen Schärfegewinns durch den Stabilisator kommen darf, weiß im Augenblick in Deutschland niemand zu beantworten. - Ja, ja die Japaner, sie sind und bleiben doch ein unergründliches und geheimnisvolles asiatisches Volk....

 

Spiegelvorauslösung.

Diese - mit einem Laserpunkt - gemachte Grafik von Bob Atkins zeigt die Erschütterungen, die durch den Spiegelschlag verursacht werden. Wer weitergehende Informationen über die Vibrationen durch den Spiegelschlag haben möchte, dem sei die Arbeit 'MIRROR LOCK UP' empfohlen, die man unter 'photo.net/photo/nature/mlu.html' nachlesen kann. Von dort stammt auch diese Grafik.

Allerdings ersetzt der Stabilisator auf keinen Fall eine gute Spiegelvorauslösung, wie dieser Test auch zeigt. Bei manchen Brennweiten und Verschlußzeiten werden die Bilder mit Stabilisator superscharf, und wenn man weit in die langen Brennweiten und langen Zeiten geht, dann versagt auch der Stabilisator alleine und nur mit Spiegelvorauslösung gelingen noch unverrissene Aufnahmen. Wie scharf würden sie erst mit beiden zusammen, mit Stabilisator und gleichzeitiger Spiegelvorauslösung?

Nach meinen Versuchen ist eine Spiegelvorauslöung eminent wichtig bei Nahaufnahmen von Pilzen, Schmetterlingen, Libellen usw. und zwar immer dann, wenn man Zeiten benutzt, die länger als 1/30 sek. sind. Besonders bei Hochformataufnahmen und Brennweiten von 200 oder 300 mm. Bei 105 mm Makroobjektiven fallen die Unschärfen durch den Spiegelschlag nicht so drastisch aus. Der Grund ist wahrscheinlich, weil bei dieser Brennweite die Kamera auf dem Kugelkopf befestigt wird und nicht das Objektiv mit einer Schelle, und daher die Kamera nicht frei schwingend hinter dem Objektiv sitzt.

Im Prinzip sollte man alle Landschaftsaufnahmen, alle Nahaufnahmen und alle Tieraufnahmen ( zumindest die, wo es nicht auf absolute Schnelligkeit ankommt), immer mit der Spiegelvorauslösung machen. Es macht doch eigentlich wenig Sinn, superteure L, ED oder APO-Objektive für 3.000,- bis 20.000,- DM zu kaufen, um sicher zu sein, hochwertige Objektive zu haben die eine fantastische Schärfe abliefern, um dann die letzte mögliche Schärfe 'mutwillig' wieder zu verschenken, in dem man sie sich durch den Spiegelschlag - sichtbar oder unterschwellig - ruinieren oder mindern läßt.

Die amerikanische Fotozeitschrift POPULAR PHOTOGRAPHY brachte im Juni 1999 einen ausführlichen Test über den Einfluß des hochklappenden Spiegels auf die Bildschärfe. Diese Tabelle aus dem genannten Heft zeigt, daß der Spiegelschlag auch bei relativ kurzen Brennweiten einen katastrophalen Einfluß auf die Bildschärfe ausübt.
Bei 135 mm beträgt die Auflösung ohne Spiegelvorauslösung 30 Linien pro mm, aber mit Spiegelvorauslösung 60 Linien pro mm, also bewirkt einen Schärfegewinn um satte 100 Prozent.
Bei 400 mm Brennweite beträgt die Auflösung bei 1/15 sek. 11 Linien pro mm ohne Spiegelvorauslösung, aber 30 Linien pro mm mit ihr. Also ein unglaublicher Schärfegewinn um 172 %.
Diese Daten beziehen sich auf Querformatfotos, bei Hochformataufnahmen wäre der Unterschied noch drastischer ausgefallen.

Mit 2 Konvertern arbeiten

Mit zwei Konvertern gleichzeitig zu fotografieren ist ganz einfach. Man braucht lediglich einen passenden Zwischenring. Für die beiden Canon AF-Konverter etwa den Canon AF-Zwischenring EF-12. Wenn man am Objektiv den 2x Konverter anschließt, dann den Zwischenring und danach zur Kameraseite hin den 1,4x Konverter setzt, kann man mit dieser Kombination sogar bis 'unendlich' auf der Skala scharf einstellen. Man hat dann ein Objektiv 11.o/1.400 mm, wenn das Grundobjektiv ein 4.0/500 mm ist.

Quintessenz

Für mich habe ich jetzt diese acht Tabellen verkleinert auf ein Blatt DIN-A5, das ich in Zukunft immer im Fotorucksack mitnehme, damit man bei langen Brennweiten und langen Belichtungszeiten mit einem Blick sehen kann, unter welchen Voraussetzungen noch bei bestimmten Belichtungszeiten mit akzeptablen Ergebnissen zu rechnen ist.

Es wäre allerdings schön, wenn unsere großen Fotozeitschriften mit ihren speziellen Testinstituten - die ja viel genauer und exakter arbeiten können und wesentlich mehr Geld und Möglichkeiten haben - einmal einen solchen - für die praktische Arbeit sehr hilfreichen - Test durchführen würden. Wenn möglich mit den Objektiven 4.o/300 mm, 2.8/300, 2.8/400 mm, 4.0/500 mm und 4.0/600 mm.

Vor allem aber auch mit den neuen Tele-Zooms 80-400 mm und 100-400 mm, den die sind ja sehr lichtschwach und man kommt mit ihnen noch schneller in die langen Belichtungszeiten. Wie unterschiedlich Telezooms reagieren - je nach verwendeter Brennweite -, kann man ja schön an der Tabelle aus POPULAR PHOTOGRAPHY sehen.

Auch wäre es interessant zu erfahren, wie diese Objektive auf unterschiedliche Stative reagieren - mit Kugelkopf, mit Neiger, mit ausgefahrener Mittelsäule oder ohne .... usw.

Stellungnahmen zum Thema per E-mail:

Hallo Herr Poelking,
herzlichen Glueckwunsch zu Ihrem sehr gelungenen Artikel "Scharfe Bilder" in Ihrem Internet Buch. Der Artikel ist die erste praxisgerechte Auflistung von Ergebnissen die mit einem bildstabilisierenden System gemacht wurden. Die Tabellen sind viel griffiger als alle bisher von mir gelesenen Informationen über IS. Sie haben sicherlich Recht, wenn Sie dem IS eine gute Zukunft bescheinigen. Es ist mir ein Raetsel, wie Nikon diese Technologie vor Canon entwickelte und dann Jahre vor Canon's IS in einer Kompaktkamera namens VR 700 versenkte. Die Technik im neuen 80-400 (mehr Stabilisier-Steuerweg, hoehere Stabilisier-Beschleunigung, hoehere Stabilisier-Endgeschwindigkeit) wird den Vorsprung von Canon nicht mehr einholen, denn Nikon wird seine Produktpalette nicht schnell genug auf Canon Niveau ausbauen koennen.
Als Informatiker wuerde ich uebrigens bei den besseren Ergebnissen bei 1000 mm als bei 700 mm darauf tippen, dass, je groesser die Einheit wird, desto mathematisch berechenbarer wird die Eigenbewegung (weil groesser) und umso weniger fallen die chaotischen Komponenten (Ausseneinwirkung) ins Gewicht.
Viele Gruesse Joern Bardewyck
(2. August 2000).

*****