Charles Kearton fotografiert 1890
das Nest einer Lerche.

Aus der Frühzeit der Naturfotografie

Naturfotografie begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ottmar Anschütz (1846 -1907) fotografierte seine berühmten Reihenbilder von Störchen 1884, und R. B. Lodge machte die ersten Freilandaufnahmen eines brütenden Kiebitzes im Jahre 1895. Fast unbekannt: die allgemeine Fotografie ist zum Teil ein Kind der Naturfotografie; oder besser formuliert: Die Triebfeder zur Entdeckung der Fotografie ging bei einem der Väter dieses Mediums von dem Wunsch aus, Naturaufnahmen zu machen.

William Henry Fox Talbot wollte seine Reiseeindrücke exakter festhalten, als ihm dies in Zeichnungen möglich war. Daher suchte er ein Fixiermittel, um die in der Camera Obscura geschwärzten Silbernitrate lichtbeständig zu machen. Er begann mit seinen Versuchen 1834, und im August 1835 gelangen ihm die ersten Aufnahmen.

Fotografie in freier Natur wurde möglich, als das 1851 von Frederick Scott Archer veröffentlichte "Nasse Kollodium -Verfahren auf Glas" abgelöst und verdrängt wurde durch die 1880 eingeführte, fabrikmäßig hergestellte Gelantine -Trockenplatte. Sie war zwanzigmal so lichtempfindlich, und 4 Jahre nach ihrer Einführung machte Anschütz seine sensationellen Storchenbilder. Schon 1912 veranstaltete die Zoologische Gesellschaft von London eine Ausstellung mit Vogelfotografien, die bereits 174 verschiedene Vogelarten zeigte, von denen 95% in freier Natur aufgenommen waren.

Richard Kearton

Einer der ersten Vogelfotografen war Richard Kearton. Er wurde am 2. Januar 1862 in einem kleinen Dorf von Swaledale (England) geboren, wo seine Vorfahren seit 1350 als Bauern lebten.

Im Herbst 1882, als Kearton fast 21 Jahre alt war, besuchte Sidney Golpin Swaledale zur Entenjagd. Kearton zeigte ihm das Moor mit all seinen faszinierenden Naturschönheiten und beeindruckte ihn so, daß er Kearton nach London einlud und ihm eine Stelle in seinem Verlag verschaffte.

Kearton begann Naturartikel zu schreiben und hatte bald den Wunsch, diese mit eigenen Fotos aus der freilebenden Vogelwelt zu illustrieren. Richard Kearton "erfand" das Tarnzelt, welches in seiner weiterentwickelten Form auch heute noch von fast allen Vogelfotografen benutzt wird. Er hatte entdeckt, daß Vögel von anderen Tieren wie Kühen, Pferden oder Schafen kaum Notiz nahmen. Daher war sein erstes Tarnzelt einer Kuh nachgebildet Später abstrahierte er sein Tarnzelt mehr und mehr, bis die Erkenntnis schließlich Allgemeingut in der Zunft der Vogelfotografen wurde, daß ein Tarnzelt mit allem Ähnlichkeit haben durfte, nur nicht mit der "Krone der Schöpfung". Denn von der hielten und halten die freilebenden Vögel anscheinend überhaupt nichts.

Mit seinem Bruder Cherry machte er Reisen durch ganz Großbritannien bis hin nach St Kilda. Seine Abenteuer auf dieser Inselgruppe vor der Küste Schottlands beschrieb er in dem vielleicht besten Buch über St Kilda "With Nature and a Camera". Er veröffentlichte viele Fotos, Bücher und hielt zahlreiche Vorträge. Als er am 8. Februar 1928 starb, galt er als der klassische Altmeister in der Kunst der Vogelfotografie.

Eric Hosking

Eric Hosking wurde 1909 geboren. Schon als Schüler äußerte er sich auf die übliche Frage der lieben Tanten, was er denn später werden wollte - abweichend von dem normalen Wunsch aller Kinder, Lokomotivführer werden zu wollen - mit der bestimmt vorgetragenen Antwort: "Vogelfotograf". Diese Antwort hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler: den Beruf "Vogelfotograf" gab es nicht. Es gab ihn vor Eric Hosking nicht und es gab ihn nach Eric Hosking nicht . Er war der erste und der letzte, er war der einzige hauptamtliche Vogelfotograf, den es je gegeben hat.

Es sind inzwischen viele Natur- und Vogelfotoliebhaber da, die von der Naturfotografie leben oder es zumindest versuchen; aber keiner, der sich ganz und konsequent auf die Vogelfotografie spezialisiert hat wie er. Viele leben heute für die Vogelfotografie, aber keiner hat es geschafft wie Hosking, von ihr zu leben. Eric Hosking hat unzählige Bilder veröffentlicht, zahlreiche Bücher über Vögel und Vogelfotografie geschrieben, und er hat 1970 seine Biographie "An Eye for a Bird" mit einem Vorwort von Prinz Phillip von Edinburgh veröffentlicht Ein Hinweis, welchen Stellenwert und welches Ansehen ein Vogelfotograf wie Eric Hosking in Großbritannien genießt. Man stelle sich in Deutschland vor: Die Biographie von Hermann Fischer veröffentlicht mit einem Vorwort von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Vorstellbar? Würde das Buch gekauft? Hoskings Biographie erlebte mehrere Auflagen, und sogar eine Taschenbuchlizenz.

Hoskings Durchbruch als Vogelfotograf kam, als ihn 1937 in Wales ein Waldkauz attackierte, und er dabei ein Auge verlor. Alle Medien haben darüber berichtet, und er war in Großbritannien auf einen Schlag berühmt. Seit dieser Zeit tragen alle Vogelfotografen auf der Insel bei der Eulenfotografie Gesichtsmasken, wie sie Sportfechter verwenden. Eric Hosking starb am 22. Februar 1991 in London im Alter von 81 Jahren.

Hermann Fischer

Hermann Fischer wurde am 2. November 1885 geboren. Er hat sein ganzes Leben lang Tiere fotografiert - mühsam und mit viel Erfolg. Kurz vor seinem neunzigsten Geburtstag starb er 1975 in Braunschweig.

Er war das große Vorbild einer ganzen Generation von Nachkriegs-Tierfotografen in Deutschland. Sein 1953 in neuer Auflage erschienenes Buch "Tierjagd mit der Kamera" wurde zur Bibel der Naturfotografen einer ganzen Zeitspanne.

Hermann Fischer begann vor dem ersten Weltkrieg als Maler und sollte nach einem Stipendium der Stadt Braunschweig in die Weimarer Kunstschule aufgenommen werden. Der erste Weltkrieg wollte es anders. H. Fischer kehrte verwundet nach Braunschweig zurück und arbeitete dann bei der Autofirma Büssing. 1923 machte er sich als Naturfotograf selbständig. Er war vielleicht der erste Deutsche, der das realisierte, was viele naturbegeisterte Nachwuchsfotografen heute versuchen; als "Freelance" zu leben und zu arbeiten.

Er illustrierte die Bücher von Hermann Löns und Meerwarth, und seine Bilder waren damals ein so sensationeller Erfolg, wie wir es uns in der heutigen, übersättigten Zeit nur schwer vorstellen können. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Lüneburger Heide, wo er Landschaften, Menschen und Tiere dokumentierte. Seine Arbeiten prägten eine ganze Epoche.

Walter Wissenbach

Walter Wissenbach war der erste Meisterfotograf einer neuen Generation von Tierfotografen nach Hermann Fischer. Er brachte die von Eric Hosking in England während des zweiten Weltkrieges kreierteTechnik der Kurzzeitblitzfotografie in Verbindung mit der Lichtschranke nach Deutschland, und er war der erste, der in den fünfziger Jahren damit in Deutschland großen Erfolg hatte. Solche Fotos fliegender Vögel, gestochen scharf und von unglaublichem Detailreichtum, hatte man bis dahin noch nicht gesehen. Selbst große Wochenblätter wie die damalige "Frankfurter Illustrierte" brachten häufig mehrseitige Reportagen von Wissenbachs Arbeiten. Während Hermann Fischer als Allround-Naturfotograf lebte, war der 16 Jahre jüngere Walter Wissenbach eher ein Vogelfotograf. Er gewann mit seinen Bildern viele Preise, vom Leica-Fotowettbewerb bis hin zur Senckenberg-Medaille.

Aus gesundheitlichen Gründen sah man in den letzten 15 Jahren vor seinem Tode immer weniger neue Arbeiten von ihm.

Während Altmeister Hermann Fischer die Pioniergeneration in den Nachkriegsjahren repräsentierte, stellte Walter Wissenbach in den Jahren 1950 bis 1970 einen einsamen Gipfel der modernen Vogelfotografie in Deutschland dar. Nach etwa 1960 begann eine ganze Schar von Jüngern auf den Pfaden zu wandeln, die Fischer und Wissenbach in Deutschland geschlagen hatten.

Walter Wissenbach: Buntspecht füttert Jungvogel (ca. 1950, Agfa CT-18).

Hermann Fischer: Fischadler (um 1939/40)

Eric Hosking: Schleiereule mit Beute (1936).
Dieses großartige Foto war eine der ersten Blitzaufnahmen von Eric Hosking. Er machte sie in Suffolk in einer Nacht im Juli 1936. Das die Schleiereule eine Ratte erbeutet hatte und so fotogen hielt, sah erst erst später, als er die Glasplatte entwickelte. Er hielt dieses Bild für die glücklichste Aufnahme, die er jemals gemacht hat. Wenn er die Eule am Baumstamm landen hörte durch das Geräusch welches entstand, wenn die Krallen in den Baum schlugen, dann öffnete er den Verschluß, und löste die Blitzbirne über einen elektrischen Kontakt aus (Blitzbirnen waren damals gerade auf den Markt gekommen und wurden später so etwa zwischen 1950-1960 von Elektronenblitzen abgelöst).
1/4-plate Sanderson field camera, 8 1/2 inch Dallmeyer Serrac lens, stopped down to f/11
. Sashalite flash-bulb.
Anmerkung: In Großbritannien brüten Schleuereulen manchmal fotogen in Bäumen, was sie in Deutschland leider nicht tun. Hier brüten sie nur in alten Gebäuden wie: Ställen, Bauernhäusern oder Kirchen.

J.A. Speed: Rauchschwalbe im Flug.(1929).
Für diese Aufnahme hatte der Autor einen Spezialverschluß mit 1/5000 sek. als kürzeste Zeit konstruiert, und das schon 1929!

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Einige interessante Bücher aus der Frühzeit der Naturfotografie.
Man kann sie heute antiquarisch kaufen, oder über
die Fernsausleihen von Fachbibliotheken leihweise erhalten.


Hermann Fischer
Tierjagd mit der Kamera
Heering-Verlag, 1953

Walter Wissenbach
Über Tierfotografie
Umschau-Verlag, 1956

C.A.W. Guggisberg
Early Wildlife Photogr.
David & Charles, 1977

Eric Hosking, Bird
Photography as a Hobby Stanley Paul, 1961

Eric Hosking
An Eye for a Bird
Hutchinson , 1970

C.G. Schillings
Mit Blitzlicht und Büchse
Voigtländer Verlag, 1910
Georg E.F. Schulz,
der berühmte
'Natururkunden-Schulz',
veröffentlichte schon
1908/1909
eine Reihe von 8
Broschüren
mit
Natururkunden
von
Tieren und
Pflanzen.

Georg E.F. Schulz
Natururkunden 'Vögel-1'
Paul Parey Verlag 1908

Georg E.F. Schulz
Natururk. 'Pflanzen-1'
Paul Parey Verlag 1908


Georg E.F. Schulz
Natururk. 'Pflanzen-2'
Paul Parey Verlag 1908


Georg E.F. Schulz
Natururkunden 'Pilze-`'
Paul Parey Verlag 1908


Georg E.F. Schulz
Natururkunden 'Vögel-2'
Paul Parey Verlag 1909


Georg E.F. Schulz
.'Frühlings-Pflanzen'
Paul Parey Verlag 1909


Georg E.F. Schulz
Natururk. 'Insekten'
Paul Parey Verlag 1909


Georg E.F. Schulz
Natururk. 'Alpenpflanzen'
Paul Parey Verlag 1909

Aus der Werbung von 1908/09 für die acht Broschüren mit Natururkunden von Georg E.F. Schulz:

Die "Natur-Urkunden" sind für alle bestimmt, die etwas in ihrem Herzen übrig haben für die Natur und alle Ihre Kinder, für die Heimat und die sinnige Betrachtung aller der großen und kleinen Wunderwerke der Schöpfung, die, mit offenem Auge und mit offfenem Herzen in Gottes schöner Welt lustwandeln und draußen genossene Eindrücke mit nach Hause nehmen wollen.

Ihnen sollen die Natur-Urkunden helfen, das Geschaute in allen Einzelheiten, in allen Schönheiten richtig zu verstehen und zu würdigen. So wird die draußen empfundene Freude daheim noch einmal empfunden: der flüchtige Genuß wird zum dauernden Besitz.

Die "Natur-Urkunden" sind das erste deutsche Werk, das Vertreter des gesamten Tier und Pftanzenreiches in noch nie veröffentlichten photographischen Urkunden zur Darstellung bringt, das Ergebnis unendlicher Mühe und Arbeit. Von besonderem Werte ist namentlich auch der zu jedem Heft gehörige Text, er ermöglicht ein verständnisvolles Eindringen in die Zwecke der schaffenden Natur und damit ein volles Erfassen des Dargestellten.

Ganz besonders sei auf das Vorwort des Verfasser in Heft 1 der Sammlung hingewiesen. Dasselbe gibt den besten Aufschluß über das ganze Unternehmen. Möge das aus Liebe zur Natur entstandene Unternehmen sich des Beifalles und der tatkräftigen Förderung der weitesten Kreise des deutschen Volkes zu erfreuen haben, es dürfte beides wohl in vollem Maße verdienen. (Paul Parey Verlag, Berlin 1908/09).

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Aus dem Vorwort von Heft 1 der Natururkunden:

Hierbei möchte ich gleich bemerken, daß sämtliche Aufnahmen, um ihren vollen Urkundencharakter zu wahren, ohne jede Retusche reproduziert sind. Jedes Bild ist so aufgenommen, wie ich das Objekt fand, es ist nichts hinzugefügt oder hinweggenommen worden. Uberhaupt jede Veränderung vermieden, um absolute Naturtreue zu erhalten. Nur in dieser Urkundentreue haben sie nach meiner Ansicht für die Naturdenkmalpflege Wert. Gleichzeitig möchte ich jeden wissenschaftlich interessierten Amateur bitten, diese Bestrebungen zu unterstützen, damit wir von den selteneren Objekten der verschiedensten Gegenden solche Urkunden erhalten.

Es ist das erste deutsche Werk dieser Art, welches Vertreter des gesamten Tier- und Pflanzenreichs in noch nie veröffentlichten photographischen Urkunden zur Darstellung bringt.

So wandent denn hinaus, ureigenste Abbilder der Natur und bringt ihr, unserer aller Mutter, neue Freunde, auf daß sie dich und alle deine Kinder und nicht zuletzt sich gegenseitig lieben und schützen lernenl

Friedenau-Berlin, zur Christfestzeit 1907. Georg E.F. Schulz

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