9. Tour

22. Nov. - 4. Dezember 1994

Statt des 6 kg schweren 4.0/600 mm AF-Nikonobjektives habe ich auf dieser Tour erstmalig das neue, 'nur' 4 kg schwere 4.0/500 mm AF-Nikkor mitgenommen, mit den beiden AF-Konvertern 1,4x und 2x, sowie der neuen Nikon F-90x, die einen wesentlich schnelleren Nachführautofokus hat als die bisherige F-90 ( etwa 4 Bilder pro Sekunde bei nachgeführter Schärfe), und die auch einen der F4 gegenüber verbesserten Autofokus hat, was vielleicht für Fotos von jagenden oder schnell rennenden Tieren interessant ist, und beim Einsatz der AF-Konverter .

Da das Nikkor 4.0/500 mm ja für diese Brennweite sehr lichtstark ist, arbeitet auf jeden Fall der 1,4x Konverter mit Autofokus, so daß ich immerhin noch ein 5,6/700 mm AF-Objektiv habe. Zuhause im regnerischen deutschen November arbeitete - bzw. hielt auf dem Motiv - manchmal sogar der 2x AF -Konverter, so daß ich die Hoffnung habe, er wird im schönen hellen, sonnigen Kenia noch besser arbeiten. Das wäre natürlich eine tolle Sache, wenn beide Konverter mit der AF-Funktion arbeiten würden. Mal sehen, was in Afrika besser und angenehmer ist: ein 4.0/500 mm AF-Objektiv mit 4 kg, oder ein 4.0/600 mm AF mit 6 kg.

In Afrika ist der Unterschied vielleicht nicht so gravierend - man wird sehen - weil ja das Objektiv kaum getragen werden muß, sondern immer auf dem Sitz neben einem im Auto liegt. Bei allen anderen Reisen - da bin ich jetzt schon sicher - werde ich in Zukunft nur noch das 500er nehmenVor zwei Wochen habe ich es an den Luchsen im Nationalpark Bayerischer Wald ausprobiert, und es war wesentlich angenehmer damit zu arbeiten als mit dem 600er. Im letzten Januar fotografierte ich Spitzkrokodile in Südflorida, und ich erinnere mich, daß ich da dieses 600er wegen seines Gewichtes und der damit verbundenen Unhandlichkeit und Langsamkeit geradezu haßte. Nach einigen Tagen habe ich es damals überhaupt nicht mehr benutzt, sondern lieber das 3.5/400 mm MF-Objektiv mit dem 1,4x Konverter genommen, statt des 600er AF, was natürlich auch nicht Sinn der Sache ist. Mal sehen, wie meine Meinung am Ende dieser Tour ist..

Faszinierend auch, wie sich Buchkonzepte während der Arbeit und im Laufe von eineinhalb Jahren ändern: Zuerst war ja mein Plan, einen schönen, großen Bildband im Jahresdurchlauf über die Masai Mara zu machen. Dann kam plötzlich die Leopardin mit ihren Kindern dazwischen und verlangte gebieterisch nach einem eigenen Buch, das sich im Laufe der Monate immer mehr in den Vordergrund drängte. Später änderte ich dann das Konzept für das Mara-Buch von Jahresdurchlauf in Schilderung der Lebensgemeinschaften.

Diese 9. Tour soll nun die letzte sein für die beiden Bücher, und so habe ich vorher noch für beide Bände die Layouts geklebt, um so noch zu klären, was fehlt und unbedingt noch fotografiert werden muß. Das Leopardenbuch soll ein Bildband werden, in Ausstattung und Format wie das Gepardenbuch von 1993, das ich mit Norbert Rosing zusammen machte. Ich habe im Layout einige Seiten frei gelassen, und wenn auf dieser Tour nicht allzuviel dramatisches oder sensationelles bei der Leopardenfamilie passiert, dann wird der Bildband so 144 bis 148 Seiten haben. Das Mara-Buch habe ich vom Umfang und Format her drastisch reduziert: Wir haben in der Mara inzwischen jährlich sicher 300.000 bis 400.000 Besucher, die aber fast alle leider nur 2-3 Tage im Schnitt bleiben, weil sie eine Rundreise durch die Parks in Kenia machen. Und da gibt man sicher nicht so gerne 100.- DM für einen Bildband aus, und schleppt auch sicher nicht begeistert ein großes, schweres Buch für den Rest der Tour mit sich. Daher habe ich das Mara-Buch im Layout auf ein kleineres, fast quadratisches Format reduziert und die Seitenzahl auf 80 beschränkt, damit es vielleicht für DM 29,80 angeboten werden kann, ein Preis, der Spontankäufe in den Buchhandlungen und den 17 Camps und Lodges in der Mara eher zuläßt, als wenn das Buch groß und teuer ist. Beim Leopardenband ist die Situation etwas anders: Dies ist ein Buch für wirklich Interessierte, nicht nur für Kurztriptouristen, sondern für Besucher der Mara die länger bleiben und ein tiefer gehendes Interesse haben, und für alle Menschen in der ganzen Welt, die sich für die freilebenden großen Katzen interessieren.

Etwas muß ich auf jeden Fall auf dieser Tour unbedingt fotografieren: die Maasai. Man kann schlecht ein Bilderbuch über die Masai Mara machen, ohne auch die Menschen zu zeigen, die dort ihre Heimat haben. Allerdings habe ich mit diesem Punkt für das Buch so meine Probleme.

Eine der beliebtesten Touristenpostkarten ist das Motiv mit barbusig tanzenden Maasaimädchen. Damit möchte ich aber auf keinen Fall mein Buch kommen. Es gibt dazu zwei schöne Pandantgeschichten:

John Huston drehte einen Film mit Marilyn Monroe und dem späten Clark Gable unter dem Titel 'Nicht gesellschaftsfähig', eine etwas traurige Geschichte über die letzten Cowboys und die letzten Wildpferde, natürlich auch mit einer Bettszene, ohne die ein Film ja nicht mehr angeboten werden kann. M.M. versuchte dabei nun immer die Bettdecke so weit nach unten zu ziehen, damit man ihren Busen sah, was Huston dagegen immer wieder verhinderte. Er begründete dies später mit der etwas rüden Formulierung: 'Ich lasse mir doch nicht von Marilyns Titten meinen Film kaputt machen'.

Ähnlich reagierte der Regiseur van Ackeren bei seinem Film 'Die flambierte Frau': Da sollte es im ersten Drittel des Filmes eine Szene geben, in der die ein Callgirl spielende Gudrun Landgrebe dem Kunden ein Kondom überstreift. Die Szene war schon abgedreht, aber der Regisseur entfernte sie später wieder aus dem schon geschnittenen Film mit der Begründung: 'Mit so einer explosiven Szene in der ersten halben Stunde ist der Rest des Films gestorben: Niemand wird sich mehr für den weiteren Verlauf des Filmes interessieren'.

Nun will ich natürlich nicht mein kleines Bilderbüchlein mit solchen filmischen Weltereignissen vergleichen, aber solche Bilder von Maasaimädchen würden sicher das Gleichgewicht des Buches stören, und auch der Situation nicht angemessen sein. Denn die Maasai führen ja in Wirklichkeit kein Folklore-Leben, und ihre Zukunft ist sicher nicht so rosarot.

Für die Maasai wie sie heute leben, habe ich eine Doppelseite vorgesehen: rechts eine Luftaufnahme von einer Manyatta, die zeigt, daß die Maasai durchaus auch heute noch zum Teil die Wohnformen ihrer Vorväter haben, und auf der linken Seite eben ein typisches Bild der Menschen. Eben kein optimistisches, jung, fröhlich, strahlend und leicht erotisch angehauchtes Bild von einem Maasaimädchen, sondern etwas archaisches, der menschlichen Situation der Maasai mehr angemessenes, aber trotzdem fotografisch ausdruckstarkt. Deshalb werde ich versuchen, einen Maasai mit seinem Speer zu fotografieren, weil diese Waffe zu ihm gehört wie der Aktenkoffer zum Geschäftsmann. Vielleicht im Morgengrauen, aber nicht zu romantisch mit völlig rotem Himmel im Hintergrund, denn das wäre eine unangemessene Versüßlichung seiner Situation. Was mir vorschwebt ist ein Maasai als Silhouette vor einem dunklen, schwermütigen Himmel, mit vielleicht einer ganz zarten Spur oder Andeutung von Himmelsrot als Symbol dafür, daß nicht alle Zukunftshoffnungen für diesen Menschenschlag verloren sind, aber die Gesamttendenz doch eher nach Moll hindeutet.

Heute morgen um 5.30 Uhr habe ich endlich die Aufnahmen vom Maasai bei
Sonnenaufgang gemacht. Der
Himmel war zwar nicht ganz so, wie ich das
gerne gehabt hätte, aber es reicht. Damit habe ich alle Fotos für die
beiden Bücher zusammen, und ich kann übermorgen fliegen und das Projekt
Mara abschließen (Masai Mara, Seite12).

Leider hat vorgestern in der Nacht ein Löwe die einjährige Tochter der Leopardin getötet, die ich jetzt so lange schon fotografiert habe. Wir fanden die tote kleine Leopardin am frühen Morgen, und gegen 11.00 Uhr kam doch tatsächlich die Mutter noch einmal zu ihrer toten Tochter zurück. Ein sehr bewegender und emotionaler Moment.(Leoparden, Seite 145).

4. Dezember 1994.

Das 4.0/500 mm mit der F90x und den beiden AF-Konvertern 1,4x und 2.0x hat sich sehr bewährt und als äußerst angenehm in der Arbeitsweise herausgestellt. Die ersten Aufnahmen hatte ich damit schon im Oktober bei den Luchsen im Nationalpark Bayerischer Wald gemacht. Eigentlich wollte ich auch Ende Oktober damit in Churchill bei den Polarbären arbeiten, aber leider erwischte mich eine starke Erkältung vorher, und dann kam auch noch die Nachricht, daß es in Churchill regnete statt schneite, und da bin ich lieber nicht geflogen. Es hätte mich sehr interessiert, wie das neue AF-System der F90x auf den weißen Polarbären gehalten hätte. Vor drei Jahren war ich zuletzt dort mit Norbert Rosing, Uwe Walz und Komad Wothe zusammen, und da hielten alle AF-Systeme nicht auf dem Fell der Eisbären, weder das von Canon, Nikon oder Minolta. Schade, vielleicht klappt es im nächsten Jahr. Auf jeden Fall werde ich jetzt am 27. Dezember, wenn ich nach Florida zu den Fischadlern fliege, einmal ausprobieren, wie denn der AF bei fliegenden Adlern arbeitet, wenn man den 1,4x AF-Konverter benutzt. (Ein Bericht darüber erschien in Heft 6/1995 der Zeitschrift FOTOGRAFIE DRAUSSEN , heute heißt sie NATURFOTO).

Heute morgen war der Eingang vor meinem Zelt übersäht mit tausenden Von Termitenflügeln. Gestern hatte es stark geregnet, und heute nacht gegen 23.00 Uhr fingen sie auf einmal an, ihre Bauten zu verlassen und gingen auf Hochzeitsflug. Sie flogen in der Nacht zu tausenden gegen mein Zelt und das hörte sich an, als wenn es regnete. Der war aber schon seit Stunden vorbei. Kurze Zeit später warfen sie dann alle ihre Flügel ab, und heute morgen lagen im Mara River Camp wahrscheinlich zehn- oder hunderttausend Termitenflügel überall herum. Afrika ist schon toll und einmalig, und ein Schlaraffenland für Naturfotografen.

Zwei Lücken konnte ich auf dieser Tour außerdem noch stopfen: vom Löffelhund und von der Servalkatze bekam ich ganz hübsche Dias, davon hatte ich vorher nicht viel Gescheites gehabt. (Masai Mara, Seite 83).

Diese ganzen Texte schreibe ich übrigends direkt in der Mara am Abend in meinem Zelt in einen winzigen PC (Palmtop). Er heißt Psion 3a (heute gibt es ihn als Psion 5a), wiegt nur 300 Gramm, braucht als Energiequelle nur zwei Batterien AA 1,5 Volt, also die gleichen, die wir für die meisten Kameras und Blitze nehmen, und hat eine Kapazität von etwa 800 Seiten DIN A4. Man kann ihn also niemals auf einer Reise vollschreiben, und die beiden Batterien reichen für etwa zwei Monate. Das ist eine feine Sache: man kann die 10 Stunden im Flieger sinnvoll nutzen und auch die toten Stunden in der Mittagszeit und abends vor Ort. Wenn man dann nach Hause kommt, überspielt man die ganzen Texte auf seinen Büro-PC, und kann dann am Bildschirm noch mal alles überlesen und korrigieren, um es dann auszudrucken.

Man kommt also von einer Tour zurück, und hat praktisch schon alles fertig geschrieben, und kann im Büro dann die Füße auf den Schreibtisch legen, und 'den lieben Gott einen guten Mann sein lassen'. Herrlich - technischer Fortschritt ist oft etwas Großartiges..

Die letzten beiden Tage brachten noch einige schöne Fotos von der Leopardenmutter Paradies und ihrem Sohn Mang'aa, und jetzt sitze ich im Lufthansa-Vogel auf dem Weg nach Hause. Dies ist der schönste Nachtflug bisher in meinem ganzen Leben: Er ist fast umsonst und findet in der ersten Klasse statt - so sollten Naturfotografen überhaupt immer fliegen. Ich muß doch mal ein ernstes Wort mit meinen Agenturen und Redaktionen sprechen: vielleicht kann man das Abrechnungsverhältnis von 50:50 verändern zu Gunsten des Fotografen auf 80:20

Der schöne Flug kam so zustande: Wenn man heute oft fliegt, bekommt man immer Flugmeilen gutgeschrieben, und kann dafür nachher Freiflüge bekommen. So brauchte ich diesen Flug Frankfurt-Nairobi-Frankfurt überhaupt nicht zu bezahlen, weil ich über 250.000 Flugmeilen als Guthaben auf meinem Konto hatte. Vor dem Rückflug fragte mich nun der LH-Mitarbeiter am Schalter in Nairobi, ob ich gerne 1. Klasse fliegen wollte, man würde im Augenblick eine Promotionsaktion für Firstclass machen, und deshalb wäre der Aufpreis nur 150,- US-Dollar. Also für DM 235.- in der 1. Klasse von Nairobi nach Frankfurt zu fliegen, das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Geld macht das Leben schon ganz schön angenehm - Leute die immer Firstclass fliegen können, sind auf jeden Fall nicht zu bedauern.. Quintessenz: Man schläft in den Superliegesitzen der Firstclass wesentlich besser und angenehmer als auf den Kindersitzen in der Holzklasse.

Der ganze Rückflug war ein sehr würdiger Abschluß für dieses doch etwas zeitaufwendige Projekt Masai Mara, welches eigentlich mit erstaunlich wenig Pannen und Problemen über die Runden gebracht werden konnte. Und was 'hinten dabei raus kommt' scheint auch nicht schlecht zu werden: Ein Leopardenbildband, ein Masai-Mara-Buch, ein Werkstattbuch, ein Sachbuch mit Dr. Horst und Dr. Wally Hagen zusammen, etliche Bilder aus diesem Jahr Masai Mara konnte ich noch für das Buch über Naturfotografie benutzen, welches im Februar 1995 erscheinen wird, meine Agenturen habe ich kräftig mit Dias von Afrikas Tierwelt gefuttert, und beim BBC-Contest 1994 machten die Bilder von den spielenden Leoparden und vom Krokodil mit der Grantgazelle auch schon Preise.

Das bisher erfolgreichste Foto von diesem Projekt ist das Bild, wo Beauty der Mutter ins Gesicht springt (Leoparden, Seite 31): das brachte bisher der KOSMOS doppelseitig, ebenso DAS TIER, und sogar NATIONAL GEOGRAPHIC MAGAZINE, mit 10 Millionen Exemplaren monatlicher Auflage die größte und wichtigste Naturzeitschrift der Welt, brachte es in ihrem Dezemberheft 1994.

Einen Artikel für Naturzeitschriften über das Jahr mit den Leoparden werde ich vielleicht noch schreiben und auf die Rundreise schicken, und dann kann ich mich neuen Projekten zuwenden.(Anmerkung im Januar 2000: Ein Leopardenartikel erschien in Korea in GEO, Heft 7/1996, in Spanien in NATURA, Heft 7/1996, in Großbritannien in BBC-WILDLIFE, Heft 9/1996, in Italien in OASIS, Heft März/April 1997, in Österreich in der NEUEN KRONEN ZEITUNG, 17. März 1996, und in Deutschland in der NEUEN REVUE, Heft 6/1996, in TV-HÖREN UND SEHEN, Heft 27,1997, im KOSMOS Heft 1/1997, in TERRA, Heft 4/1999 und in DAS TIER, Heft 1/2000.

* * *