Ein Foto aus zwei Jahrtausenden

Waldkiefer in der Bastei,
im Nationalpark Sächsische Schweiz,
30 km südlich von Dresden

Canon EOS-1 V, 3.5-4.5/24-85 mm, Canon Blitz 550EX, volle Energie, Blitzwinkel 50 mm, 
Blitz 4x manuell ausgelöst, 2x links von der Kamera und 2x rechts von der Kamera, 
Blende 4.0, 20 Minuten belichtet, Kabelauslöser, 
Stativ Gitzo G-1349 mit Kirk Kugelkopf BH-2, Fujichrome Sensia-100 II

Abdrücken - fertig ?

In der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen reifte die Idee, einmal als Gemeinschaftswerk die Natur in Deutschland zur Jahrtausendwende in Buchform festzuhalten, sozusagen um in einer fotografische Momentaufnahme zu zeigen, wie es jetzt bei uns draußen aussieht.

Für den ersten Morgen im Jahre 2000 hatte ich für dieses Projekt um 7.00 Uhr am 1. Januar 2000 eine Waldkiefer im Nationalpark Sächsische Schweiz fotografiert.

Nun meinte später im Oktober der zuständige Lektor im Verlag, dass es doch schön wäre, wenn wir das Buch mit dem gleichen Motiv beenden, mit dem es quasi 365 Tage vorher begonnen hatte.

Was für mich bedeutete, am 31. Dezember 2000 in der Sächsischen Schweiz noch einmal diese Waldkiefer zu fotografieren, obwohl ich eigentlich andere, häusliche Pläne für Sylvester hatte, die mit Sekt, Konfetti und Feuerwerk zu tun hatten.

Wenn man ein Motiv an einem bestimmten Tag fotografieren muß oder soll, ist das immer eine diffizile Sache. Für jedes Motiv gibt es eine bestimmte Beleuchtung, eine Atmosphäre oder eine Jahreszeit, in der es am besten zur Geltung kommt.

Wenn man auf einen Termin festgelegt wird, muß man versuchen, das beste aus der Situation zu machen.

Zuerst überlegte ich, was den kommen könnte am 31. Dezember, 30 km südlich von Dresden:

Regen - war am wahrscheinlichsten und am schlechtesten.

Nebel - wäre nicht übel.

Schnee - wäre fantastisch.

Sonne oder mieses, trübes Matschwetter?

Meine Idealvorstellung wäre heftiger Schneefall am Tage und dann ein sternenklarer Abend.

Dann könnte ich die Waldkiefer anblitzen, und eine Zeitbelichtung machen. Beginn um 23.30 Uhr am 31. Dezember bis um 0.30 Uhr am Morgen des 1. Januar 2001.

Das wäre außerdem ein sehr ungewöhnliches Bild, weil es praktisch eine Aufnahme aus 2 Jahrtausenden ist. Zur Hälfte im alten und zur Hälfte im neuen Jahrtausend belichtet........! Mit Sternenbahnen am Himmel in das dritte Jahrtausend.... Toll.

Nun sind solche Fotos technisch immer etwas problematisch, wenn man eine Blitzaufnahme mit einer Zeitbelichtung koppeln will.

Wie stark abblenden? Wie lange belichten? Auf welchen Wert die Blitzenergie einstellen und auf welchen Ausleuchtwinkel? Wie eine Balance, eine ausgewogene Lichtverteilung zwischen Blitzlicht und natürlichem Licht hinbekommen?

Wie ist überhaupt die Situation dort im Nationalpark zu Sylvester? Böller und Leuchtraketen? Wie reflektieren die Felsen das (eventuelle) Mondlicht bei 1 oder 2 Stunden Belichtung?

Nun wollte ich auf keinen Fall diese einmalige Situation, die ein einmaliges Bild versprach, an einem technischen Fehler scheitern sehen.

Daher fuhr ich schon drei Tage eher an die Location, wie es ja jetzt auf Neudeutsch heißt, und machte erste Probeaufnahmen.

Schon der erste Abend brachte mich nahe an einen Herzinfarkt. Unten in der Wehlschlucht war eine Freilichtbühne, auf der im Sommer Theaterstücke aufgeführt werden, die aber im Winter unbenutzt ist. Anscheinend aber vom Ort Raethen den ganzen Winter hindurch jede Nacht von 30 Scheinwerfer erleuchtet wird. Außer das der Ort zu viel Geld hat, ist kein Sinn in dieser unökologischen Energieverschwendung im Nationalpark zu erkennen. Wieso überhaupt ein erleuchteter Nationalpark die ganze Nacht hindurch?

Am nächsten Morgen fuhr ich nach Dresden, wo ich - dank Internet - wußte, das es ein Fotogeschäft gab, das Diafilme im Einstundenservice entwickelte, was ja sehr selten ist.

Die ersten Testaufnahmen sahen gut aus. Egal ob 1, 2, 4 oder 6 Blitze auf die Kiefer, alles war brauchbar, aber mit 4 Blitzen und Blende 4.0 war das Ergebnis perfekt. Nur das Kunstlicht der Freilichtbühne machte Probleme.

Vom idealen Standpunkt aus gab es unten links im Dia einen etwas großen Lichtflecken durch dieses Kunstlicht. Ich mußte also mit der Kamera einen Meter weiter nach links gehen, wodurch zwar die Komposition litt, aber der Einfluß der Bühnenbeleuchtung nicht mehr ganz so schlimm war.

Am nächsten Abend hatte ich riesiges Glück, denn es war sternenklar, und ich konnte alles überprüfen für den Ernstfall in der nächsten Nacht. Kalte Dusche.... Es war zwar ein wunderschöner Sternenhimmel, aber nicht da wo mein Motiv sich befand.

Über mir herrliche Sterne, rechts von mir herrliche Sterne und hinter mir auch. Aber in Richtung Waldkiefer und Felsen war nur dunkle Nacht.... Kismet.

Was der Test allerdings auch zeigte war, das ich alles noch bei Tageslicht aufbauen, einrichten und justieren mußte. In völliger Dunkelheit war es nicht zu machen. Außerdem mußte ich die Zeitbelichtung sehr variieren, je nach Zustand des Himmel, ob es eine dunkle Nacht war, oder bewölkt, was den Himmel wesentlich heller machte, oder eben mit Sternen.

Daher wollte ich mit zwei Kameras arbeiten, der EOS-1 mit dem 24-85 mm Objektiv, und der EOS-3 mit dem 22-55 mm Objektiv.

Die zwei Blitze die ich vor Mitternacht auslösen wollte und die zwei für nach Mitternacht, konnten ja beide Dias in beiden Kameras gleichzeitig belichten. Nur die Zeitbelichtungen für beide Kameras wollte ich variieren.

Die Blitze dann jeweils 2 ausgelöst 1 Minuten vor Mitternacht und 2 ausgelöst 1 Minuten nach Mitternacht. Es sollte ja alles seine Ordnung haben...

Das würde bedeuten, ich mußte Silvester um spätestens 16.30 Uhr meine beiden Kameras aufbauen und alles vorbereiten, um dann ungefähr 7 Stunden in der Dunkelheit zu warten, bis die Zeit der beiden Aufnahmen kommen würde. Witzig, witzig... alles schüttet Sekt in sich hinein, und nur so ein seltsamer Naturfotograf steht in der Sivesternacht für 6-8 Stunden auf einer Eisenbrücke über dem Abgrund und wartet auf die Jahrtausendwende....

Die eigentlichen Aufnahmen aus zwei Jahrtausenden gingen dann völlig problemlos über die Bühne. Die Nacht war nicht sehr kalt, etwa 1-2 Grad minus, der Himmel war erst bewölkt und dann sternenklar - kein Wind. Alles recht angenehm, nur die lange Wartezeit war etwas langweilig.

Wie sich allerdings später herausstellte, hätte ich mir die ganze Warterei ersparen können. Die Bilder, die ich ganz früh um 7.30 Uhr am Morgen gemacht hatte, waren nämlich besser geworden, weil es da geschneit hatte. .....Der Fotograf denkt und die Natur lenkt.

Das stimmungsvollere Bild gelang mir schon
am Morgen des 31. Dezembers, etwa gegen 7.30 Uhr. 
Aber das wußte ich erst drei Tage später.

Exakt 147 Naturfotografen aus der GDT machten  im Jahre 2000 ähnliches. Mit viel Enthusiasmus und Begeisterung machten sie Luftaufnahmen von unserem einzigen Vogelfelsen in der Nordsee und dem Müritz-Gebiet. Sie krochen in tiefe Höhlen um von Tautropfen bedeckte Fledermäuse aufzunehmen. Sie fotografierten Wiedehopfe in russischen Raketen und vieles mehr an Tieren, Pflanzen und Landschaften aus der Natur in Deutschland im Jahre 2000.

Die letzten Bilder wurden Ende Dezember gemacht und Ende Februar ist das Buch schon in allen Buchhandlungen zu haben. Was die GDT hier als Gemeinschaftsprojekt auf die Beine stellte, ist wohl das aktuellste Naturbuch, das jemals in Deutschland erschienen ist. Wenn Sie mehr wissen wollen, dann schauen Sie  unter 'Atem des Jahrtausends'  und 'Atem der Presse'.

Der beschirmte Arbeitsplatz.

Text für das Diaetikett des Hochformatbildes:

Waldkiefer - ein Foto aus 2 Jahrtausenden
Belichtet von Dezember 2000 bis Januar 2001
NP Sächsische Schweiz, Deutschland
Photo & © 2000/2001: FRITZ PÖLKING
Ein Naturdokument - nicht arrangiert oder manipuliert

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