Er
hat sie schon alle vor der Linse gehabt: Den majestätischen Seeadler und
den flügelflinken Kolibri, den mächtigen Löwen mit zebrabluttriefendem
Maul und das in weichen Flausch gekleidete Pinguin-Junge, das sich im
arktiskalten Eismeer an seine Eltern kuschelt. Sein liebstes Tier jedoch,
„das ist der Leopard".
Der
als einsamer Jäger durch sein Revier streift, immer wachsam, immer auf der
Hut, immer bereit für den Augenblick. So wie er, Fritz Pölking, der große
Naturfotograf.
Seit
55 Jahren streift der 70jährige Grevener nun schon mit seiner Kamera durch
die Welt. Sein Haar ist mit den Jahren schlohweiß geworden. In seinen Augen
aber blitzt es noch immer, wenn er von seinen Reisen erzählt; denen, die er
gemacht hat und denen, die er noch vorhat.
Fritz
Pölking ist ein Besessener, ist Jäger und Sammler zugleich, ist einer,
der nie Urlaub macht, weil „mein ganzes Leben Urlaub ist". Immer hat
er Tiere in ihrer Lebenswelt fotografiert - das hat ihm einen Stammplatz im
Olymp der Naturfotografen eingebracht. Kaum jemand kennt ihn, aber jeder kennt
seine Bilder. Weil sie Postkarten zieren und Fotokalender, Bildbände und
Poster.
Pölking
ist populär. Was denn das Geheimnis seines Erfolges ist? Da lacht es herzlich
aus dem weißen Vollbart. Über die Frage und den Fragenden. Weil es das
Geheimnis seines Erfolges ist, kein Geheimnis zu haben.
Da
sitzt der Meister auf seinem bequemen Sofa und erzählt von seinem nächsten
Projekt. Afrika, Tansania, die Serengeti. Im Februar geht's los. „Das ist
die Zeit; in der eine halbe Million Gnus ihre Jungen gebären", sagt er,
und wieder funkeln seine Augen. Darum werden auch Löwen da sein und Hyänen
und Leoparden. Zwischen Geburt und Tod liegt manchmal nur ein
Augenblick.
Pölking
kann sich noch genau
an sein erstes Motiv erinnern. „1951 war das, eine
Amsel
im Gartenhäuschen meiner Eltern." Es folgten zehn Jahre, in denen er
nichts anderes fotografierte als Vögel. „Erst danach habe ich entdeckt,
dass
es auch
Säugetiere und Landschaften gibt."
Warum er sich auf Tiere spezialisiert hat, weiß er nicht mehr. „Irgendwann
hat es einfach klick gemacht." Indem sich sein inhaltlicher Horizont
erweiterte, weitete sich auch sein geografischer. „Seitdem bin ich in
der Welt zu Hause", sagt er. Er ist in der Antarktis gewesen und in
China; in Amerika und Afrika, in der Mongolei und in
Japan. „Nur in Australien, da war ich noch
nicht" - weil der Flug 22 Stunden dauert und ihm das einfach zu lange
dauert.
Nie
hat der Grevener seine Zeit mit grauer Theorie vertrödelt. 'Ihm geht es
darum, mit seinen Fotos dem besonderen Augenblick Ewigkeit zu verleihen. Ein
Bild ist gut, wenn, Lektion eins: das Objekt, interessant ist, oder, Lektion
zwei: das Objekt interessant fotografiert worden ist. ' Für alles aber
gilt, Lektion drei: Das Foto muss die Emotionen des Betrachters wecken.
Und
Kunst, sagt der Künstler nebenbei, Kunst sei das Fotografieren schon mal
gar nicht. „Das ist Handwerk, mindestens zu 95 Prozent." Auf den
restlichen fünf Prozent gründet Pölkings Ruhm.
Seit
55 Jahren fotografiert sich der 70-Jährige also schon durch die Welt. Ob er
eigentlich auch ans Aufhören denkt? Da lacht er wieder sein herzliches
Lachen. Aufhören werde er im Moment seines Todes, sagt er. Das sei früh
genug. Und läge es an ihm, er würde die Kamera in Afrika endgültig-
zur Seite legen. Beim Arbeiten.. Mitten im Leben.
Westfälische Nachrichten, 27. September 2006

Foto: Jürgen Peperhowe
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