Bulletin 20.8.04


Fritz Pölking

Das Spektakel der Wirklichkeit
und die Faszination des Augenblickes

Diese beiden Motive waren und sind es, die mich in und an der Naturfotografie immer faszinierten. Es gibt  unglaublich interessante und überraschende Momente in der realen Natur. 

Hier ein schönes Beispiel: Alle deutschen Naturfotografen, die den ja meistens nicht sonderlich attraktiven Winter im flachen Teil Deutschlands durch ein Break in Florida etwas verkürzen wollen, kennen sicher das Audubon Cork Screw Swamp Wildlife Sanctuary bei Naples an der Interstate 75, mit seinem kilometerlangen Holzsteg durch den Sumpf.

Nicht ganz so bekannt ist das Six Mile Cypress Slough Preserve bei Ft. Myers am Six Mile Cypress Parkway zwischen der Stadt und dem Internationalen Südwest-Florida Flughafen, durch das auch ein Boardwalk aus Holz geht. Er ist nicht ganz so lang und das Gebiet nicht ganz so attraktiv wie das Audubon Sanctuary, aber auch  nicht schlecht.

Sein großer Vorteil ist, dass es – wenn man auf Sanibel sitzt  - direkt vor der Haustür liegt, und man nicht anderthalb Stunden fahren muss wie nach Cork Screw.

Also wanderte ich wieder mal mit geschultertem Stativ und Fotorucksack über den Holzsteg, als ich aus dem Augenwinkel etwas bemerkte, das mich irritierte. Ich sah eigentlich nichts bestimmtes, aber irgendetwas stimmte nicht und hatte meine Aufmerksamkeit erregt, weil es nicht dem Schema entsprach und nicht so war wie es sein sollte oder musste, ohne das ich es entdecken oder realisieren konnte.

Also blieb ich erst einmal stehen, stellte Stativ und Fotorucksack zur Seite und versuchte zu erkennen oder zu finden, was mich da irritiert hatte.

Baumfrosch  (3. März 2004)
Kubalaubfrosch - Cuban Tree Frog - Osteopilus septentrionalis

Canon EOS-1Ds, 4.0/500 mm, 1,4x Konverter & 2x Konverter,
RAW file, ISO 200, Bl. 16, 1/8 sek., SVA, Stativ.

 

Plötzlich sah ich es: Im Gewirr von Ästen, Zweigen, Blättern und Flechten sah ich den Kopf eines Frosches aus einer Baumhöhle herausschauen.

Wahnsinn! Ich habe ja schon viel in Florida gesehen, aber noch nie einen Frosch, der aus einer Höhle schaut.

Sofort gab es natürlich ein Problem (Für Naturfotografen gibt es immer irgendwelche Probleme): Der Frosch war etwas weit entfernt vom Holzsteg, aber in einem solchen Sumpfgebiet kann und darf man den Holzsteg nicht verlassen.

Also was tun? 500 mm Brennweite war zu wenig, 700 mm war zu wenig, 1000 mm war immer noch zu wenig – also als Verzweiflungstat 1.400 mm nehmen. Das reichte so eben. Jetzt wurde das Motiv formatfüllend.

Damit nicht nur das Auge des Frosches bei dieser Riesenbrennweite scharf wurde und auch die optische Qualität besser würde bei einer Aufnahme mit 2 Konvertern, war es ratsam, eine Stufe abzublenden.

Also 500 mm mit einer Ausgangsöffnung von Blende 4.0 ergibt mit 1,4x Konverter Blende 5,6 und dann mit dem 2x Konverter zusätzlich Blende 11. Jetzt zur Schärfe und Tiefenschärfeverbesserung  zusätzlich noch eine Blende abgeblendet, ergibt Blende 16 bei 1.400 mm Brennweite in einem nicht sehr hellen Zypressenurwald.

Die Kamera zeigte bei Blende 16 dann auch nur ¼ Sekunde an. Deshalb stellte ich die ISO-Zahl von 100 auf 200 ISO und kam jetzt auf 1/8 Sekunde. Auch nicht berauschend für die Brennweite.

Also nahm ich – natürlich – die Spiegelvorauslösung, ohne die das Bild auf keinen Fall scharf zu kriegen wäre - kein Gedanke - und hielt zusätzlich Kamera und Objektiv auf dem Stativ noch mit beiden Händen fest und drückte auch noch den Kopf von hinten gegen die Kamera, um jede Erschütterung durch den Verschlußablauf zu verhindern. Der Spiegelschlag war ja schon durch die SVA eliminiert.

Schön war jetzt, dass ich eine digitale Kamera hatte und den Digifinder. So konnte ich direkt nach der Aufnahme kontrollieren, ob es wirklich möglich war, von einem Holzsteg aus mit 1/8 Sekunde und 1.400 mm Brennweite ein scharfes Foto zu machen. Im Falle nein, hätte ich immer noch auf 400 oder 800 ISO gehen können. Der Monitor zeigt aber an: Alles im grünen Bereich.

Ein Jahr früher – 2003 – mit meiner EOS 1V fotografiert und auf Diafilm, hätte ich erst Wochen später in Deutschland entdeckt, wie das Ergebnis aussieht.

Laut Wissenschaft gibt es sogar singende Baumfrösche, die  ihre Höhlen als Resonanzböden nutzen. Diese Amphibien können ihre Stimmlage so einstellen, dass ihr Gesang möglichst weit getragen wird.

Der Baumfrosch Metaphrynella sundana hat ein untrügliches Gefühl für die Akustik seiner Baumhöhle: Er stellt seine Stimmlage so auf deren Resonanzfrequenzen ein, dass sein Gesang möglichst weit hörbar ist. Das berichten amerikanische und malayische Forscher in der Fachzeitschrift Nature (Bd. 420, S. 475).


Diese  Amphibien wechseln dabei die Tonlage so lange, bis sie die Klangeigenschaften des Zylinders optimal ausnutzen und ihn als eine Art Resonanzboden verwenden können. 

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